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Die richtigen Schlüsse aus dem Erreichen des Zinsplateaus


14.11.23 15:30
ZKB Österreich AG

Salzburg (www.anleihencheck.de) - CEO und CIO bei der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Christian Nemeth, analysiert in der aktuellen Podcast-Folge das Inflationsgeschehen, untersucht, wieso die Konjunktur- und Arbeitsmarkt-Daten in den USA immer noch so stabil sind, und verrät, ob Investments in langfristige Anleihen trotz der weiterhin hohen Zinsen wieder Sinn machen.

Was die Inflation betreffe, sei man auf einem sehr guten Weg. In der Eurozone liege sie laut erster Hochrechnung von der Statistikbehörde bei 2,9 Prozent nach 4,3 im Vormonat. Vor rund einem Jahr habe man bei über zehn Prozent gelegen. Auch wenn man nicht in allen Volkswirtschaften auf diesen 2,9 Prozent sei - in Österreich könne man ein Lied davon singen - gehe es international gesehen in die richtige Richtung. Auch in den Vereinigten Staaten würden sich die Inflationsraten beruhigen. Man müsse sich auch die Wirkungszusammenhänge vor Augen führen.

Notenbanken hätten in einem sehr dramatischen Ausmaß die Zinsen angehoben, um der Inflation entgegenzuwirken, und es dauere, bis das auch wirke. Die EZB, die FED und die Bank of England hätten aber seither die Füße stillgehalten. Vielleicht komme da oder dort nochmal ein finaler Schritt, aber im Moment würden die Daten die Einschätzung der Analysten bestätigen, dass das Leitzinsniveau erreicht sei und eine Zeit auf diesem Niveau bleiben werde. Richtung 2024 werde es vielleicht erste Fantasien geben, dass die ein oder andere Notenbank beginne zu senken. Denn die Wirtschaft leide unter dem Zinsniveau - das werde man auch zeitverzögert sehen.

In den USA sei das dritte Quartal sehr stark gewesen. Da sei vieles vom privaten Konsum gestützt, das werde auf Dauer nicht so gehen. Auch der Arbeitsmarkt sei ein Phänomen: Die Analysten würden sehen, dass sich auch hier eine Trendwende abzeichne, aber wesentlich langsamer, als vielleicht ursprünglich prognostiziert und erwartet. Der Arbeitsmarkt sei auch ein sehr stark zeitlich nachlaufender Indikator. Dazu komme, dass die Analysten im Moment strukturelle Veränderungen in Zusammenhang mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung sehen würden. Viele Unternehmen hätten gerade in der Boom-Phase nach Wiedereröffnung nach der Pandemie gesehen, dass es schwierig sei, qualifiziertes Personal zu bekommen.

Viele würden sich auch bei rückgängigem Auftragseingang davor scheuen, sich von großen Teilen der Belegschaft, die sie mühevoll wieder aufgebaut hätten, rasch zu trennen. Auch wenn in USA 'Hire and Fire' sehr weitverbreitet gewesen sei, würden die Analysten auch hier einen Trend sehen, Arbeitskräfte vielleicht länger zu halten - Stichwort 'Hoarding'. Auch wenn nicht alle Mitarbeiter voll eingesetzt werden könnten, fahre man lieber mit einem größeren Kostenblock durch, bevor man in einigen Monaten dasselbe Problem wie zuvor habe und die guten Arbeitskräfte vielleicht nicht mehr kriege. Diesen kausalen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt dürfe man nicht mehr eins zu eins ziehen.

Die Analysten würden auf der Anleihenseite definitiv die längeren Laufzeiten mit ins Boot nehmen, wenn man noch keine habe. Das sei definitiv attraktiver geworden. Wenn man sich die Zinskurven anschaue, seien diese schon sehr stark verkrümmt. Am ganz kurzen Ende gebe es durch die Leitzinserhöhungen sehr, sehr hohe Niveaus, und dann gehe es relativ rasch nach unten. In der Eurozone liege der Tiefpunkt der Rendite-Kurve im Moment bei vier, fünf Jahren. Bei den US-Treasuries sei es ähnlich, und dann steige es wieder an.

Die durchaus legitime Frage sei: Warum solle man in eine längere Laufzeit gehen, wenn man im ultrakurzen Bereich, also praktisch täglich fällig oder mit ein bis drei Monaten Laufzeit, relativ hohe Zinsen kriege? Wenn wir sagen, das Zinsniveau bleibt 'higher for longer', sprechen wir nicht von Jahren, das darf man nicht unterschätzen, so die Analysten der Zürcher Kantonalbank Österreich AG. Investoren müssten sich diesen Wiederveranlagungsdruck, den man binnen kurzer Zeit habe, vor Augen führen.

Die Frage sei: Zu welchen Konditionen könne man dann zu dem Zeitpunkt wieder abschließen? Und das sei das Problem. Die Kurve falle dann nach einem Jahr relativ steil nach unten ab, weil jeder implizit davon ausgehe, dass dieses Niveau nicht auf fünf oder zehn Jahre gehalten werden könne. Das heiße, es mache durchaus Sinn, sich bei Anleihen zumindest teilweise längerfristig zu binden. Die Analysten würden eher über den fünfjährigen Bereich hinausgehen. Hier habe man den größeren Hebel und könne auch irgendwann wieder von fallenden Renditen profitieren.

Wenn man auf Opportunitäten warte, dann sei jetzt der Zeitpunkt, auch wieder über Aktieninvestments nachzudenken. Die Analysten würden ein bisschen zukaufen, jedoch nicht aggressiv werden. Im Oktober sei der amerikanische Aktienmarkt um zehn Prozent gefallen, Europa und der MSCI World seien in einer ähnlichen Liga. Die Analysten hätten sich im Oktober etwas defensiver ausgerichtet und seien damit nicht schlecht positioniert gewesen. Anfang November hätten sie die angewachsene Untergewichtung aufgrund der Kursentwicklung, wieder auf das ursprüngliche Maß reduziert. Das heiße, sie hätten rund ein Prozent, manchmal eineinhalb Prozent, zugekauft, um wieder dieses Niveau zu halten. Wenn der Markt sich weiterhin so entwickele, würden die Analysten auf der Aktienseite auch eher wieder zukaufen als verkaufen. (14.11.2023/alc/a/a)