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Zinssitzung der Europäischen Zentralbank im Fokus


11.09.23 09:30
Raiffeisen Bank International AG

Wien (www.anleihencheck.de) - Das Highlight in dieser Woche stellt sicher die Zinssitzung der Europäischen Zentralbank dar, so die Analysten der Raiffeisen Bank International AG (RBI).

In Bezug auf die Leitzinsentscheidung stehe eine Pause oder eine neuerliche Zinsanhebung um 25 Basispunkte zur Auswahl. Wesentlich seien drei Kriterien: 1) zugrundeliegende Inflation, 2) Inflationsaussichten, 3) Stärke der geldpolitischen Transmission. Es sei klargemacht worden, dass die Entscheidung auf Grundlage der eintreffenden Daten gefällt werden solle. Doch ohne Bewertung der Informationen der vergangenen Wochen werde es nicht gehen, und so würden unter anderem auch die neuen Wirtschaftsprognosen eine beutende Rolle spielen. Die Teuerungsraten hätten seit der letzten Zinssitzung nicht überrascht, was aber bedeute, dass der zugrundeliegende Preisdruck nur sehr langsam abgenommen habe.

Es sei zudem anzunehmen, dass die Inflationsschätzungen kaum verändert würden und so noch sehr lange über dem Notenbankziel prognostiziert würden. Allein dies dürfte einigen Ratsmitgliedern Anlass genug sein, für eine Zinsanhebung zu stimmen. Die Notenbankchefs einiger Länder (Österreich, Slowakei) hätten sich auch bereits öffentlich für eine Anhebung positioniert. Andererseits hätten die Konjunkturdaten seit der letzten Zinssitzung sicher negativ überrascht. Die neuen EZB-Prognosen würden wohl eine Abwärtsrevision der BIP-Schätzungen bringen.

Angesicht des verhaltenen Newsflow zu den Wachstumsaussichten in den jüngsten Tagen (nach Stichtag für die Prognoseerstellung) dürften die verringerten BIP-Schätzungen mit Abwärtsrisiken behaftet sein. Zuletzt seien monetäre Indikatoren zu beachten. Diese würden sehr klar darauf hinweisen, dass die bisherige geldpolitische Straffung zu einer deutlichen Bremsung geführt habe. Die zum Teil negative Entwicklung von ausstehender Geld- und Kreditmenge werde mit der üblichen Zeitverzögerung die Konjunktur und Inflation dämpfen.

All diese Überlegungen zusammengefasst würden die Analysten eine 50:50 Chance für unveränderte Zinsen / eine neuerliche Zinsanhebung im September sehen. Für die Monate darüber hinaus hätten sie dagegen klarere Ansichten. Ihrer Meinung nach bringe die anstehende Sitzung die letzte "gute" Gelegenheit für eine Leitzinsanhebung. Die von den Analysten erwartete Wirtschaftsentwicklung bis Jahresende (Konjunktur, Inflation, Kreditnachfrage) werde das Fenster für höhere Leitzinsen rasch schließen. Die EZB werde wohl in weiterer Folge dazu übergehen, erhöhte / restriktive Leitzinsen für einen längeren Zeitraum zu betonen und den Fokus auf andere wichtige Steuerungsinstrumente (Bilanzpolitik) zu lenken.

Die am Markt gepreisten Erwartungen für die Leitzinsen im September hätten sich zuletzt deutlich reduziert und würden nunmehr unveränderte Sätze als wahrscheinlicher ausweisen (knapp 65%). Eine Zinsanhebung wäre somit eine hawkishe Überraschung. Während im Falle einer Leitzinsanhebung die Geldmarktsätze (und somit die Prognosen der Analysten für diese) ansteigen würden, sollten die Renditen für mittel- bis langfristige deutsche Staatsanleihen eher nach unten gedrückt werden (gedämpfte Erwartung für den mittelfristigen Konjunktur- und Inflationspfad).

Das Erscheinen der Zahlen zum deutschen ZEW im September markiere den Auftakt zum Datenkalender dieser Woche. In der Eurozone hätten zuletzt erschienene Stimmungsindikatoren auf nationaler sowie aggregierter Ebene mehrheitlich auf ein betrübtes Stimmungsbild hingewiesen. Nach Prognosen der Analysten werde sich dieser Trend fortsetzen. Für den deutschen ZEW würden die Analysten bei der Erwartungskomponente eine Verschlechterung auf -16 Punkte (von -12,3 Punkten) und bei der Komponente für die aktuelle Lage einen Rückgang auf -75 Punkte (von -71,3 Punkten) erwarten. Die von den verschiedenen Stimmungsindikatoren widergespiegelte bedrückte Stimmung unter Konsumenten, Produzenten und auch Finanzmarktteilnehmern komme nicht von irgendwo, hätten sich doch zuletzt Hinweise auf eine deutliche Abkühlung der Wirtschaftsleistung innerhalb der Eurozone gemehrt.

Dieser Eindruck sei durch das Erscheinen der revidierten Zahlen zum BIP-Wachstum im zweiten Quartal bestätigt worden. Habe die initiale Schätzung noch auf ein Wachstum der Eurozone von 0,3% p.q. hingewiesen, sei diese Einschätzung nun auf 0,1% p.q. verringert worden. Die Juli-Zahlen zur Industrieproduktion, welche diese Woche erscheinen, werden wohl auch für den Beginn des dritten Quartals ein verhaltenes Bild vermitteln, berichten die Analysten der Raiffeisen Bank International AG.

So würden die Analysten basierend auf ihren Schätzungen eine Entwicklung von -1% p.m. (Konsens: -0,7% p.m.) erwarten, was im Vergleich zu der positiven Überraschung im Juni in Höhe von 0,5% p.m. (Konsens: -0,1% p.m.) eine klare Eintrübung darstelle. Gegeben der bereits beobachtbaren Abkühlung der Wirtschaftsleistung in der Eurozone sowie der Erwartung, dass dieser Abschwung anhalten werde, würden die Analysten ihre Prognosen zum BIP in der Eurozone unter Revision stellen.

In den USA erscheinen diese Woche indessen August-Zahlen zur Verbraucherpreisinflation (VPI), so die Analysten der Raiffeisen Bank International AG. Dies stelle die letzte Inflationsveröffentlichung vor der Zinssitzung der FED am 20. September dar, und könne sich somit als richtungsweisend herausstellen. Aktuell erwarte der Konsens für die Kerninflation mit 0,2% p.m. keine Veränderung im Vergleich zum Vormonat, während für die Gesamtinflationsrate mit 0,5% p.m. ein Anstieg gegenüber den Juli-Zahlen (0,2% p.m.) für wahrscheinlich gehalten werde. Des Weiteren stünden mit den Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion auch wichtige Indikatoren betreffend der Wirtschaftsaktivität im August auf dem Datenkalender.

Die Zahlen zu den Einzelhandelsumsätzen hätten im Juli positiv überraschen können, seien sie doch mit 0,7% p.m. klar über der Konsenserwartung von 0,4% p.m. zu liegen gekommen. Dieser Umstand habe auf eine anhaltende Resilienz des Konsums in den USA hingewiesen. Den aktuellen Markterwartungen zufolge sollte sich besagte Resilienz allerdings etwas abschwächen - ein Wachstum der Einzelhandelsumsätze um 0,2% p.m. werde erwartet. Auch die Industrieproduktion habe im Juli eine positive Überraschung parat gehabt, so habe das verbuchte Wachstum von 1% p.m. deutlich über den Schätzungen in Höhe von 0,3% p.m. gelegen. Ähnlich zu den Einzelhandelsumsätzen werde allerdings auch bei der Industrieproduktion für August eine schwächere Entwicklung von 0,1% p.m. angenommen. Gesamt betrachtet stehe in den USA derzeit die Frage im Vordergrund, ob sich die Wirtschaft weiterhin überraschend resilient gegenüber dem restriktiven Zinsniveau zeigen werde, oder ob im zweiten Halbjahr eine erste Abkühlung beobachtet werden könne. (Ausgabe vom 08.09.2023) (11.09.2023/alc/a/a)