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Zentralosteuropa: Nase vorn bei der Zinswende
18.09.23 08:30
Helaba
Frankfurt (www.anleihencheck.de) - Die zentralosteuropäischen Notenbanken (NB) haben im Vergleich mit der EZB wieder die Nase vorn, so die Analysten der Helaba.
Im Juni 2021 hätten als erste die ungarische und die tschechische Nationalbank den Leitzins zunächst in vorsichtigen, später in größeren Schritten angehoben, die Polnische Zentralbank sei im Oktober gefolgt, die EZB erst ein knappes Jahr später. Insgesamt sei der Leitzins bis September 2022 in Ungarn um 1.240 Basispunkte (Bp.) auf 13% gestiegen, in Polen um 665 BP auf 6,75% und in Tschechien (bis Juni 2022) um 675 BP auf 7%.
Im Gegensatz zur EZB stünden nun die Zeichen in Zentralosteuropa auf Lockerung. Dabei würden die Zentralbanken der drei Länder unterschiedlich vorgehen: Die ungarische MNB halte die Base Rate weiter bei 13%, habe jedoch die Zinsen auf kurzfristige Liquidität (overnight collateralized loan) und Kurzfrist-Einlagen (one-day quick deposit tender) bereits deutlich gesenkt. Gleichzeitig bemühe sie sich verbal, keinen Zweifel an einer Stabilitätsorientierung aufkommen zu lassen.
Polens NBP habe schon seit einigen Wochen auf den Lockerungskurs eingestimmt, bevor sie Anfang September als erste der drei Zentralbanken den Leitzins um 75 Basispunkte zurückgenommen habe. Der Zloty habe prompt mit einer deutlichen Abschwächung gegenüber dem Euro reagiert, zumal der Schritt kurz vor den Parlamentswahlen am 15. Oktober als politisch motiviert angeprangert werde. Zurückhaltend bleibe bisher die tschechische CNB, die aber in ihren Prognosen einen Rückgang des 3-Monats-Interbankensatzes in den nächsten Monaten ausweise. Ende September stünden Sitzungen der Zentralbanken in Ungarn (26.9.) und Tschechien (27.9.) an.
Bemerkenswert an der neuen geldpolitischen Ausrichtung in der Region sei, dass die Inflationsraten die jeweiligen Zielwerte noch immer deutlich übertreffen würden: Für Tschechien liege das Inflationsziel bei 2%, für Polen bei 2,5% und für Ungarn bei 3%, jeweils mit einem Spielraum von +/- 1 Prozentpunkt. Auch die um volatile Komponenten bereinigten Kerninflationsraten lägen z.T. weit oberhalb der Zielwerte. Die Erklärung für die geldpolitische Eile liefere die stark nachlassende Konjunktur: Für das zweite Quartal hätten die Statistikämter durchweg einen Rückgang des BIP zum Vorjahr gemeldet. Die Lockerungen seien geknüpft an die Hoffnung auf ein verbessertes Wirtschaftsklima, wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen und eine konjunkturelle Kehrtwende.
In Polen und Ungarn habe der kräftige Rückgang der Inflationsraten in den letzten Monaten offenbar als Rechtfertigung für die Zinswende ausgereicht, zumindest in Kombination mit einem guten Quäntchen Hoffnung auf eine Fortsetzung des Trends. Erreicht würden die Zielwerte in Polen und Ungarn allerdings wohl erst 2025, in Tschechien voraussichtlich 2024. Ein Stolperstein auf dem Weg dorthin seien mögliche Zweitrundeneffekte, z.B. aufgrund einer schwächeren Währung oder durch höhere Löhne. In der gewerblichen Wirtschaft seien diese im ersten Quartal 2023 um rund 7% (Tschechien) bis 17% (Ungarn) gegenüber dem Vorjahr gestiegen, denn auch in Zentralosteuropa seien gute Fachkräfte knapp. In der Abwägung zwischen "mehr Wirtschaftswachstum" und "weniger Inflation" hätten aber zumindest die NBP und die MNB den Fokus klar auf Wachstum gerichtet. (Ausgabe vom 15.09.2023) (18.09.2023/alc/a/a)
Im Juni 2021 hätten als erste die ungarische und die tschechische Nationalbank den Leitzins zunächst in vorsichtigen, später in größeren Schritten angehoben, die Polnische Zentralbank sei im Oktober gefolgt, die EZB erst ein knappes Jahr später. Insgesamt sei der Leitzins bis September 2022 in Ungarn um 1.240 Basispunkte (Bp.) auf 13% gestiegen, in Polen um 665 BP auf 6,75% und in Tschechien (bis Juni 2022) um 675 BP auf 7%.
Polens NBP habe schon seit einigen Wochen auf den Lockerungskurs eingestimmt, bevor sie Anfang September als erste der drei Zentralbanken den Leitzins um 75 Basispunkte zurückgenommen habe. Der Zloty habe prompt mit einer deutlichen Abschwächung gegenüber dem Euro reagiert, zumal der Schritt kurz vor den Parlamentswahlen am 15. Oktober als politisch motiviert angeprangert werde. Zurückhaltend bleibe bisher die tschechische CNB, die aber in ihren Prognosen einen Rückgang des 3-Monats-Interbankensatzes in den nächsten Monaten ausweise. Ende September stünden Sitzungen der Zentralbanken in Ungarn (26.9.) und Tschechien (27.9.) an.
Bemerkenswert an der neuen geldpolitischen Ausrichtung in der Region sei, dass die Inflationsraten die jeweiligen Zielwerte noch immer deutlich übertreffen würden: Für Tschechien liege das Inflationsziel bei 2%, für Polen bei 2,5% und für Ungarn bei 3%, jeweils mit einem Spielraum von +/- 1 Prozentpunkt. Auch die um volatile Komponenten bereinigten Kerninflationsraten lägen z.T. weit oberhalb der Zielwerte. Die Erklärung für die geldpolitische Eile liefere die stark nachlassende Konjunktur: Für das zweite Quartal hätten die Statistikämter durchweg einen Rückgang des BIP zum Vorjahr gemeldet. Die Lockerungen seien geknüpft an die Hoffnung auf ein verbessertes Wirtschaftsklima, wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen und eine konjunkturelle Kehrtwende.
In Polen und Ungarn habe der kräftige Rückgang der Inflationsraten in den letzten Monaten offenbar als Rechtfertigung für die Zinswende ausgereicht, zumindest in Kombination mit einem guten Quäntchen Hoffnung auf eine Fortsetzung des Trends. Erreicht würden die Zielwerte in Polen und Ungarn allerdings wohl erst 2025, in Tschechien voraussichtlich 2024. Ein Stolperstein auf dem Weg dorthin seien mögliche Zweitrundeneffekte, z.B. aufgrund einer schwächeren Währung oder durch höhere Löhne. In der gewerblichen Wirtschaft seien diese im ersten Quartal 2023 um rund 7% (Tschechien) bis 17% (Ungarn) gegenüber dem Vorjahr gestiegen, denn auch in Zentralosteuropa seien gute Fachkräfte knapp. In der Abwägung zwischen "mehr Wirtschaftswachstum" und "weniger Inflation" hätten aber zumindest die NBP und die MNB den Fokus klar auf Wachstum gerichtet. (Ausgabe vom 15.09.2023) (18.09.2023/alc/a/a)