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Zentralbanken müssen auf Kurs bleiben


06.03.23 10:00
ETHENEA

Munsbach (www.anleihencheck.de) - Ein höchst unsicheres Szenario: Die Weltkonjunktur verlangsamt sich, was zu mehreren Quartalen ohne Wachstum bzw. mit negativem Wachstum und anschließend zu moderatem Wachstum führt, so Dr. Andrea Siviero, Investment Strategist von ETHENEA Independent Investors S.A.

Hohe Inflation, die straffe Geldpolitik und hohe Ungewissheit würden auch 2023 das globale Wachstum belasten. Die Wiedereröffnung Chinas sei ein willkommener Schritt, der der Wirtschaft Auftrieb verleihen werde.

Eine sanfte Landung sei möglich, erscheine aber kompliziert, da die weiterhin robuste Nachfrage weitere Straffungen durch die Zentralbanken nötig mache. Falls es nicht zu politischen Fehlern oder einem erneuten exogenen Schock komme, erscheine eine heftige Rezession unwahrscheinlich.

Die Gesamtinflation gehe zurück, doch die Kerninflation werde längere Zeit auf einem hohen Niveau bleiben und sich erst 2024 in Richtung der Zielwerte der Zentralbanken bewegen.

Zwar hätten die Zentralbanken das Tempo der Straffungen gedrosselt, aber sie würden noch auf längere Sicht an ihrer restriktiven Politik festhalten, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Die Zentralbanker stünden vor der Herausforderung, dass sie einen nachhaltigen Rückgang der Inflation erreichen müssten, ohne eine heftige Rezession auszulösen.

Obwohl die Weltkonjunktur 2022 schließlich weitaus robuster gewesen sei als erwartet, werde sich die Wachstumsverlangsamung angesichts der hohen Ungewissheit 2023 fortsetzen. Die Industrieländer hätten eine Rezession vermeiden können und die konkreten Zahlen seien auch Anfang 2023 relativ robust geblieben; dennoch sei aufgrund des verzögerten Effekts der Geldpolitik eine Wachstumsabschwächung zu erwarten.

Nachdem sie mehrere Monate lang rückläufig gewesen seien, würden die Frühindikatoren und Umfragen zur künftigen Wirtschaftsaktivität vor allem für den Dienstleistungssektor, der vom Inflationsrückgang profitiere, eine Erholung signalisieren.

Die Stimmung habe sich insgesamt verbessert und der Ausblick sei lange nicht mehr so düster wie noch vor ein paar Monaten. Die Befürchtungen eines deutlichen Konjunktureinbruchs würden nachlassen, während die Hoffnung auf eine sanfte Landung steige.

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation hätten bereits Wirkung gezeigt und die Gesamtinflation habe nach unten tendiert. Die Kerninflation sei jedoch auf ihrem hohen Stand geblieben und könnte sich verfestigen, denn der Aufwärtsdruck sei in Bereichen wie Löhne, Mieten und Dienstleistungen nach wie vor hoch.

Nachdem sie zunächst zur Begrenzung der Gesamtnachfrage einen aggressiven Straffungskurs verfolgt hätten, hätten die weltweiten Zentralbanken ihre Straffungen verlangsamt. Angesichts der weiterhin hohen Inflation würden sie jedoch gezwungen sein, die Zinsen weiter anzuheben und länger als gedacht an ihrer restriktiven Geldpolitik festzuhalten. Solange keine starke Rezession eintrete, dürften die Zentralbanken in aller Welt eine ruhige Hand behalten und ihre Politik darauf ausrichten, die Inflation in den Griff zu bekommen.

Die neuesten Daten, die auf eine robuste Konjunkturentwicklung in den USA und der Eurozone hindeuten würden, hätten zusammen mit der Erholung in China das Risiko verstärkt, dass die Inflation hoch bleibe und die Zentralbanken ihre Leitzinsen letztlich mehr als erwartet anheben würden.

Die Zentralbanken stünden vor einer Herausforderung: Sie müssten ihre Geldpolitik weiter straffen, um die Inflation zu begrenzen, aber erneute Zinserhöhungen und der verzögerte Effekt der rapiden Straffung im letzten Jahr könnten die Volkswirtschaften irgendwann in die Rezession abgleiten lassen.

Der IWF habe seine Wachstumsprognosen leicht nach oben korrigiert und rechne nun mit einem Rückgang des weltweiten Wachstums von 3,4% im Jahr 2022 auf 2,9% 2023. Die Inflation dürfte von 8,8% 2022 im Jahr 2023 auf 6,6% und 2024 auf 4,3% sinken.

Die US-Wirtschaft sei in der zweiten Jahreshälfte 2022 robust geblieben und die neuesten Daten würden auf eine solide Konjunkturentwicklung Anfang 2023 hindeuten. Aufgrund des verzögerten Effekts der geldpolitischen und weiteren Straffungen durch die FED könnte jedoch eine Konjunkturverlangsamung bevorstehen.

Zinssensible Sektoren (Wohnimmobilien) seien über mehrere Monate deutlich rückläufig gewesen. Die Industrieproduktion, die Investitionen der Unternehmen und die regionalen Indikatoren für das Verarbeitende Gewerbe würden nach unten tendieren und befürchten lassen, dass sich die US-Konjunktur schon bald abkühlen könnte.

Es herrsche zwar Vollbeschäftigung, aber die Arbeitskräftenachfrage schwäche sich in vielen Sektoren genau wie die Lohnerhöhungen ab. Die Einkommen, der Privatverbrauch und die Einzelhandelsumsätze hätten sich nach einer Schwächephase Ende 2022 erholt, aber über kurz oder lang würden die Verbraucher den von den gesunkenen Realeinkommen ausgehenden Druck zu spüren bekommen.

Nach ihrem aggressivsten Straffungszyklus der letzten 40 Jahre habe die FED ihr Ziel, die Gesamtnachfrage zu verlangsamen, zum Teil erreicht, aber es liege noch Arbeit vor ihr und die Rezessionsrisiken seien beträchtlich gewachsen. Um einen schweren Konjunktureinbruch zu vermeiden, habe die FED das Tempo ihrer Straffungen nach und nach verlangsamt, aber sie werde sie wahrscheinlich noch bis zum Sommer fortsetzen, um sie dann auszusetzen und die gesamten Auswirkungen ihrer Politik zu beobachten.

Eine sanfte Landung sei immer noch möglich, werde aber schwierig und der Weg dorthin sei voller Hindernisse. Die Inflation im Dienstleistungssektor sei immer noch hoch und die FED benötige zusätzliche Belege für eine Desinflation, bevor sie pausiere, denn wegen des verzögerten Effekts der Geldpolitik könnte eine weitere Straffung die US-Wirtschaft in die Rezession abgleiten lassen. Allerdings habe die FED die US-Wirtschaft in Richtung Desinflation gesteuert und erheblich an Zeit und politischem Spielraum gewonnen. Sie erscheine in Bezug auf eine sanfte Landung besser aufgestellt zu sein als andere Zentralbanken.

Die Wirtschaft der Eurozone habe sich 2022 als erstaunlich robust erwiesen. Trotz der historisch hohen Inflation, des Kriegs in der Ukraine, der Energiekrise und der Konjunkturverlangsamung in China sei die Wirtschaft der Eurozone um eine Rezession herumgekommen. Der solide Arbeitsmarkt sei in Verbindung mit starker haushaltspolitischer Unterstützung und der vorsichtigen Haltung der EZB in Sachen Normalisierung der Geldpolitik entscheidend dafür gewesen, dass ein Konjunktureinbruch vermieden worden sei, habe aber zu starken Preisanstiegen überall in der Eurozone beigetragen.

Die Stimmung, die letztes Jahr auf dem Tiefpunkt gewesen sei, habe sich deutlich gebessert. Die Gaspreise seien erheblich gesunken, die Energieversorgung sei diversifiziert worden und die Angst vor einer umfassenden Energiekrise habe sich gelegt. Die Industrieproduktion sei schwach, stabilisiere sich aber, da die Lieferkettenprobleme zurückgehen würden und China die coronabedingten Beschränkungen aufgehoben habe. Der Arbeitsmarkt sei robust und die Umfragen zur künftigen Wirtschaftsaktivität würden durchweg auf ein Wachstum der Wirtschaft hindeuten.

Trotz der besseren Stimmung in der Wirtschaft bleibe der Ausblick mittelfristig schwierig. Die Eurozone sei mit einer Konjunkturverlangsamung und hoher Ungewissheit konfrontiert und für 2023 könne eine leichte Rezession nicht ausgeschlossen werden. Der Preisdruck nehme insgesamt ab, aber die zugrunde liegende Inflation sei immer noch zu hoch und weite sich aus. Die Kerninflation liege weiter auf einem Allzeithoch und die Binnennachfrage könnte aufgrund der sinkenden Realeinkommen zurückgehen.

Vor dem Hintergrund des robusten Wachstums, des zunehmenden Preisdrucks und der zuverlässigen haushaltspolitischen Unterstützung seien von der EZB seit Ende letzten Jahres aggressivere Töne zu hören. Da sie erst spät zu Straffungen übergegangen sei, müsse die EZB nun Kurs halten und eine restriktive Politik verfolgen, auch wenn dann möglicherweise in der Eurozone eine echte Rezession drohe. Die aggressive Haltung der EZB könnte Fragen in Bezug auf die Verschlechterung der Konjunktur der Eurozone aufwerfen und politische Spannungen könnten die restriktive Haltung der EZB auf die Probe stellen.

Die chinesische Führung habe Ende letzten Jahres ihre Null-Covid-Politik aufgegeben und konzentriere ihre wirtschaftlichen Prioritäten dieses Jahr auf die Unterstützung der Konjunkturerholung durch eine expansive Haushalts- und Geldpolitik, die die Wiedereröffnung begleite. Die Wiedereröffnung werde sich als ein schwieriger Prozess erweisen, aber die chinesische Führung sei offenbar entschlossen, ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.

Trotz der starken politischen Unterstützung sei die konjunkturelle Entwicklung Ende letzten Jahres schwach gewesen, weil der Binnenkonsum gering gewesen sei, die internationale Nachfrage zurückgegangen sei und die Arbeitslosigkeit hoch geblieben sei. Allerdings gebe es Anzeichen dafür, dass die Fallzahlen in den Großstädten ihren Höchststand hinter sich hätten; zudem hätten sich die Mobilitätsindikatoren verbessert.

Es würden wieder mehr Kredite vergeben und die Umfrageindikatoren seien 2023 sowohl im Verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor wieder positiv. Der Dienstleistungs- und der Bausektor würden sich dank der Wiedereröffnung und der Unterstützung durch die Politik und Infrastrukturprojekte schnell erholen. Dank der Zunahme der Aufträge aus dem In- und Ausland verzeichne auch das Verarbeitende Gewerbe eine Erholung.

Die Wiedereröffnung Chinas stelle einen positiven Angebots- und Nachfrageschock für die Weltwirtschaft dar. Eine nachhaltige Erholung Chinas werde die Gesamtnachfrage ankurbeln und so die schwächelnde Dynamik der Weltwirtschaft abpuffern. Der Aufschwung Chinas bedeute, dass die Nachfrage in der Volksrepublik steige, und stütze das Wachstum der rohstoffexportierenden Länder, was die Gesamtinflation womöglich weiter anheize.

Die Weltwirtschaft stehe vor ungewissen Zeiten und Konjunkturprognosen seien äußerst schwierig. Der Ausblick für 2023 werde zum Großteil von der Inflationsentwicklung, der Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften und der makroökonomischen Politik der Behörden abhängen.

Die Weltwirtschaft habe sich 2022 und Anfang 2023 als ausgesprochen robust erwiesen. Der Ausblick für die Wirtschaft sei positiver als noch vor ein paar Monaten, aber die hartnäckige Inflation, die anhaltende geldpolitische Straffung und der verzögerte Effekt der letztjährigen Zinserhöhungen würden in den kommenden Monaten eine erneute Konjunkturverlangsamung auslösen.

Die anhaltend hohe globale Nachfrage und die beständige Inflation seien eine Herausforderung für die Geldpolitiken der Zentralbanken. Die Zentralbanken müssten auf Kurs bleiben und noch eine Zeitlang an ihrer restriktiven Haltung festhalten, um die Preisstabilität wiederherzustellen und die Erwartungen in Bezug auf einen bevorstehenden Anstieg der Inflation nicht weiter anzuheizen.

Die Gefahr von politischen Fehlern sei gestiegen. Die Politik müsse sorgfältig zwischen einer anhaltenden Inflation und der Gefahr einer Rezession abwägen. Eine übermäßige Straffung könnte die Weltwirtschaft in eine schwere Rezession abgleiten lassen oder eine Finanzkrise auslösen, während zu wenig Straffung dazu führen würde, dass die Inflation auf einem hohen Stand stagniere, die Inflationserwartungen zunähmen und die Kosten einer künftigen Zügelung der Inflation steigen würden.

Das Basisszenario für 2023 bestehe in einer anhaltenden Verlangsamung des globalen Wachstums und einer möglichen leichten Rezession, gefolgt von einer Phase kümmerlichen Wachstums wegen der anhaltenden Inflation und der Straffung der Geldpolitiken. (Ausgabe 3 vom März 2023) (06.03.2023/alc/a/a)