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Zentralbanken befinden sich in einer zunehmend schwierigen Lage


15.03.23 09:45
Carmignac Gestion

Luxemburg (www.anleihencheck.de) - Die Zentralbanken haben die Herausforderung einer veränderten Inflationsdynamik angenommen, so Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees von Carmignac.

Da sie jedoch zu spät gehandelt hätten, um den Preisauftrieb und seine Auswirkungen auf die Inflationserwartungen einzudämmen, habe dies zu einem beispiellosen und aggressiven Straffungszyklus geführt.

Nach etwa einem Jahr härterer Geldpolitik würden sich die Auswirkungen der höheren Zinsen allmählich bemerkbar machen, allerdings nicht dort, wo die Anleger es erwartet hätten. Die Kreditvergabe sei nach wie vor robust, auch wenn die jüngsten Ereignisse sie zweifellos verlangsamen würden. Die Haushalte würden nach wie vor konsumieren, unterstützt durch einen starken Arbeitsmarkt. Die Inflation sei auch weiterhin unangenehm hoch.

Die Zentralbanken würden sich in einer zunehmend schwierigen Lage befinden. Sie seien mit der Straffung der Geldpolitik noch nicht fertig und doch würden sich nach einem Jahrzehnt ultra-akkommodierender prozyklischer Politik nach und nach Risse im System zeigen. Tatsächlich müssten sie ihre Bemühungen fortsetzen, die Wirtschaft durch eine Verringerung der Liquidität zu bremsen und gleichzeitig die Liquidität des Bankensystems wiederherzustellen, um die Integrität der Einlagen zu gewährleisten, die durch die deutliche Abwertung der "risikofreien" Vermögenswerte in den letzten drei Jahren untergraben worden sei. Das sei ein gewichtiges Dilemma.

Die EZB habe kürzlich ihre Absicht geäußert, mit Nachdruck gegen die sehr hartnäckige Inflation anzukämpfen, und damit angedeutet, dass sie ihre Straffung fortsetzen werde. Werde der Ausfall einer US-Bank die Einhaltung dieses Beschlusses ermöglichen? Die vor kurzem angekündigte Anhebung um 50 Basispunkte werde von den Beobachtern nicht mehr einhellig erwartet. Viele hätten ihre Erwartungen für den Höchststand der Einlagensätze in diesem Straffungszyklus um fast 100 Basispunkte zurückgeschraubt.

Aus wirtschaftlicher Sicht bestehe das Hauptrisiko für die EZB darin, dass es de facto zu einer informellen Indexierung der Löhne an den Preisanstieg komme. Folglich bestehe die Gefahr, dass die Inflationserwartungen nicht mehr verankert seien, da die Tariflöhne von 3,5 Prozent im Jahresvergleich vor einem Jahr auf heute fast 5 Prozent gestiegen seien. Dies sei ein besonders wichtiger Punkt, da die Anpassungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt viel langsamer vonstattengehen würden als in anderen Teilen der Welt, und dies umso mehr, als die Kerninflation nach oben überrascht habe und in der Region bestenfalls bis zum Ende des Sommers ein Umschwung erwartet werde.

So sei die Frankfurter Institution zu der Erkenntnis gelangt, dass das Ziel, die Inflation bis 2025 wieder auf die 2-Prozent-Marke zu bringen, zu weit in der Zukunft liege. Und eine Verkleinerung des Zeitfensters (um etwa ein Jahr) erfordere die Beibehaltung ihres 50-Basispunkte-Zinserhöhungszyklus (innerhalb des breiteren Zinserhöhungszyklus), wobei das Risiko einer Überstraffung vorerst in Kauf genommen werde.

Mit ihrem Narrativ der sanften Landung und der Beibehaltung einer übermäßig lockeren Geldpolitik habe sich die FED selbst in die Enge getrieben. Die US-Zentralbank ziehe einmal Liquidität aus dem System ab (durch die Straffung ihrer Geldpolitik), stelle aber auch Liquidität bereit (indem sie in Schwierigkeiten geratenen Banken zu Hilfe komme) - was sich in der Unstimmigkeit der Bank of England im vergangenen Herbst widergespiegelt habe, als die auf die Liquiditätskrise der Pensionsfonds reagiert habe.

Angesichts der Tatsache, dass die US-Notenbank (FED) die strengen finanziellen Bedingungen beibehalten werde, weil sowohl der Arbeitsmarkt als auch die Inflation unangenehm stabil seien, sei die mit einem solchen Dilemma verbundene Volatilität nicht nur eine schlechte Nachricht. Der jüngste Stress im Bankensektor werde zu einer noch restriktiveren Kreditvergabe führen, die Unternehmen hätten Arbeitskräfte gehortet, die Banken würden nun Bargeld horten und somit die Nachfrage dämpfen, was der FED entgegenkomme.

Die Schlüsselfrage laute daher: Wie gehe es mit dem Zinserhöhungszyklus nach den für nächste Woche geplanten 25 Basispunkten weiter?

Nach Ansicht der Experten werde der künftige geldpolitische Kurs nach der März-Sitzung von der Entwicklung der finanziellen Bedingungen abhängen. Sollte die FED die Straffung fortsetzen, sobald der derzeitige Stress verdaut sei, könnte sie eine Pause einlegen, um zu prüfen, wie viel Schaden die Verschiebung der Zielsätze von 0 Prozent auf 5 Prozent innerhalb von zwölf Monaten angerichtet habe und ob dieser Schmerz akzeptabel sei.

Sollten die Märkte dagegen nach dem Motto "schlechte Nachrichten für die Wirtschaft sind gute Nachrichten für die Märkte" anziehen, würden die Marktteilnehmer, die sich auf einen "Goldlöckchen-Sweetspot" verlassen würden, schnell ein böses Erwachen erleben, da sie zunehmend erkennen würden, dass die Datenabhängigkeit der Zentralbanker ein zweischneidiges Schwert sei. (15.03.2023/alc/a/a)