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Weiche oder harte Landung: Ist das für Investment-Grade-Anleihen von Bedeutung?


09.03.23 13:26
Janus Henderson Investors

London (www.anleihencheck.de) - Weich oder hart? Das ist das Dilemma der Märkte, so James Briggs und Tim Winstone, Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors.

Könnten die Zentralbanken eine weiche Landung für die Wirtschaft herbeiführen oder würden sie eine harte Landung mit einer tiefen Rezession auslösen?

In den letzten 25 Jahren habe es in der Eurozone vier Rezessionsphasen gegeben, d. h. Perioden mit einem negativem Quartalswachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Man könnte meinen, dass es in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche eine gute Strategie wäre, Staatsanleihen gegenüber Unternehmensanleihen zu bevorzugen. Die Vergangenheit zeige jedoch, dass dies nur bei harten Landungen der Fall sei.

Die vier Wirtschaftsabschwünge in der Eurozone seien:

- 2003 Irakkrieg (Q1 2003 kurze Kontraktion)
- 2008/9 Globale Finanzkrise (Q2 2008 bis Q1 2009 tiefe Rezession)
- 2011/13 Schuldenkrise in der Eurozone (Q4 2011 bis Q1 2013 langwierige, flache Rezession)
- 2020 Corona-Pandemie (Q1 2020 bis Q4 2020 V-förmige Rezession)

Der ICE BofA Euro Corporate Index sei ein Index für Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Renditedaten seien für die Gesamtrendite (Erträge und Kapitalbewegungen) und die Überschussrendite verfügbar. Die Überschussrendite zeige den Teil der Performance, der ausschließlich auf Kredite zurückzuführen sei. Sie entspreche der Gesamtrendite der Unternehmensanleihe(n) abzüglich der Gesamtrendite eines risikoadjustierten Staatsanleihenkorbs. Sie zeige im Wesentlichen die Überschussrendite eines Index an, die sich aus der zusätzlichen Rendite ergebe, die Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen mit derselben Laufzeit Staatsanleihenkorbs, sowie die Auswirkung jeglicher Veränderung der Credit Spreads während des Zeitraums.

Eine Abbildung der Experten zeige, dass es in drei der vier Zeiträume rentabler gewesen sei, Investment-Grade-Unternehmensanleihen zu halten als Staatsanleihen. Darüber hinaus hätten Investment-Grade-Anleihen in drei der vier Zeiträume (mit Ausnahme der Schuldenkrise 2011-2013) besser abgeschnitten als Aktien (gemessen am MSCI Europe ex UK Total Return Index).

Um zu berücksichtigen, dass Rezessionen nicht für alle Unternehmen zur gleichen Zeit beginnen und enden würden, d. h. dass einige Unternehmen früher oder später von der wirtschaftlichen Schwäche betroffen seien, hätten die Experten den Zeitraum um die Abschwünge in auf sechs Monate davor und danach ausgedehnt. Dadurch werde die Gesamtrendite in allen längeren Phasen positiv und die extremen Überschussrenditen würden tendenziell abgeschwächt.

Aufgrund der Unsicherheit am Markt, ob wir eine harte oder eine weiche Landung erleben werden, erweist sich die Vergangenheit als aufschlussreich, so die Experten von Janus Henderson Investors. Daraus gehe hervor, dass der Besitz von Investment-Grade-Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen bisher immer sinnvoller gewesen sei - außer in den schwersten Wirtschaftskrisen.

Natürlich sei jede der vier Kontraktionsphasen anders gewesen. Dies könne jedoch bei der Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen früheren und heutigen Abschwüngen helfen. In ihrer Tabelle hätten die Experten die Faktoren, die mit den heutigen vergleichbar seien, grün markiert.

Der erste Blick zeige, dass es sich um ein uneinheitliches Bild handele, aber das sei zu erwarten gewesen, denn das heutige Umfeld entspreche keiner der vergangenen Kontraktionen perfekt. Ansonsten wäre Investieren vielleicht viel einfacher. Der deutlichste Unterschied bestehe in der Inflation. In allen früheren Phasen sei sie entweder gleichbleibend oder steigend gewesen. Aktuell habe sie sich gedreht und gehe nach einem Höchststand wieder zurück, aber der jüngste Höchststand sei viel höher gewesen als zu Beginn früherer Abschwünge. Wie schnell die Inflation nachlasse, werde sich auf die Politik der Zentralbanken auswirken, weshalb sie für das Zinsrisiko eine wichtige Variable bleibe.

Bezeichnenderweise weise die Farbkodierung in der Tabelle die meisten Übereinstimmungen mit der Rezession während der globalen Finanzkrise 2008 auf. Zur Erinnerung: Dies sei der Abschwung gewesen, der zu einer negativen Überrendite geführt habe. Die heutigen Renditen und Spreads seien niedriger als Anfang 2008. Dies decke sich mit der Ansicht der Experten, wonach eine gewisse Vorsicht geboten sei, da der derzeitige Markt keine schwere Rezession einpreise.

Trotz der geopolitischen Risiken, die von Russland/Ukraine ausgehen würden, würden die Experten im Finanzsystem nicht dasselbe systemische Risiko wie im Bankensektor vor der Finanzkrise sehen. Heute sei der Bankensektor besser kapitalisiert, und der kommende Abschwung sei nach Ansicht der Experten ein eher normaler Wirtschaftsabschwung, der sich auf Sparmaßnahmen bei Verbrauchern und Unternehmen beziehe und weniger schwerwiegend sein dürfte als eine Finanzkrise.

Die aktuellen Renditen und Spreads seien ähnlich hoch oder höher als in flachen Rezessionen, was die aktuellen Marktpreise rechtfertigen könnte, sollte die Wirtschaft eine weiche Landung oder einen flachen Konjunkturrückgang erleben. Ein weiterer wesentlicher Unterschied bestehe darin, dass die Kurse heute deutlich unter dem Nennwert lägen, was zu einem hilfreichen "Pull-to-Par"-Effekt führe. Gemessen an diesen Parametern dürften Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen im Falle eines leichten Abschwungs fair bewertet sein und könnten sogar attraktiv sein, sollte die Wirtschaft eine Rezession gänzlich umgehen können. Vieles werde davon abhängen, wie schnell die Inflation nachlasse und wie die Zentralbanken reagieren würden. (09.03.2023/alc/a/a)