Türkei: Erdogan spricht sich erstmals für höhere Leitzinsen aus


08.09.23 11:04
DekaBank

Frankfurt (www.anleihencheck.de) - Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat die wirtschaftspolitische Kehrtwende, die er nach seiner Wiederwahl durch die Benennung neuen Personals für die Zentralbankspitze und das Finanzministerium vorgenommen hatte, nun auch verbal vollzogen, so die Analysten der DekaBank.

Erstmals habe er anlässlich der Vorstellung der Wirtschaftsprognosen der Regierung eingestanden, dass es einer straffen Geldpolitik bedürfe, um die hohe Inflation zu senken. Zuvor habe er öffentlich stets die Meinung vertreten, niedrige Zinsen würden die Inflation senken. Mit dieser Rückendeckung seien die Chancen gestiegen, dass die neue Zentralbankgouverneurin Hafize Gaye Erkan ihren eingeschlagenen Weg der geldpolitischen Straffung so lange fortsetzen könne, bis die Inflation wieder unter Kontrolle gebracht worden sei. Doch sie könne sich der dauerhaften Unterstützung Erdogans keineswegs sicher sein. Denn Erdogan habe gleichzeitig angekündigt, weiterhin hohes Wirtschaftswachstum anzustreben.

Hohe Zinsen würden aber nicht zuletzt dem Ziel dienen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu dämpfen. Komme es zur konjunkturellen Abkühlung, könnten die Spannungen zwischen Präsident und Zentralbank wieder steigen. Zuvor habe die Zentralbank auf ihrer August-Sitzung die Märkte mit einer kräftigen Zinsanhebung um 750 Basispunkte auf 25% überrascht. Dass die Zinsen steigen müssten, sei mit der Veröffentlichung der Preisdaten für August nochmals deutlich geworden: Die Inflationsrate sei von 47,8% auf 58,9% gestiegen. Hier hätten sich zum Teil noch die Effekte der Verbrauchsteuererhöhungen sowie der starken Abwertung der Lira niedergeschlagen.

Da die Steuereffekte auslaufen würden und sich die Lira zuletzt stabilisiert habe, würden die Analysten für die kommenden Monate zwar einen weiteren Anstieg der Inflation erwarten, doch dürfte die Dynamik des Anstiegs zurückgehen. Dabei würden sie unterstellen, dass die Notenbank weitere Zinsanhebungen auf 35% vornehmen werde, um einen weiteren Anstieg der Inflationserwartungen einzudämmen. Auch die Daten zum Wirtschaftswachstum würden die Notwendigkeit einer geldpolitischen Straffung unterstreichen: Das Bruttoinlandsprodukt habe im zweiten Quartal die Erwartungen deutlich übertroffen und um 3,5% gegenüber dem Vorquartal (3,8% yoy) zugelegt.

Der nachfrageseitige Inflationsdruck bleibe damit hoch. Treiber seien vor allem die Dienstleistungen gewesen, während sich das Verarbeitende Gewerbe eher schwach entwickelt habe. Aufgrund des starken zweiten Quartals würden die Analysten ihre BIP-Prognose für 2023 von 2,7% auf 4,1% und für 2024 von 2,4% auf 2,8% revidieren. Sie würden weiterhin unterstellen, dass die Straffung der Geldpolitik in den kommenden Quartalen zu einer konjunkturellen Verlangsamung führen werde.

Erdogan habe das letzte Worte in allen wichtigen politischen Fragen. Die von ihm gebilligte (vorsichtige) Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik könne jederzeit wieder korrigiert werden. Zunächst dürfte die Lira weiter abwerten, bis sie sich einem fundamental gerechtfertigten Niveau angenähert habe. In der Folge dürfte der Inflationsdruck zunächst noch weiter zunehmen. Höhere Zinsen dürften die Wirtschaft ausbremsen, auch wenn sich die Notenbank bemühen werde, eine Rezession zu vermeiden.

Die nach der Wiederwahl Erdogan vorgenommene Wirtschaftspolitische Kehrtwende habe am türkischen Eurobondmarkt zu sinkenden Spreads geführt. Eine Phase einer stabilitätsorientierten Politik würde die Gefahr einer schweren Zahlungsbilanzkrise zumindest bis auf Weiteres reduzieren. Ein positiver Ratingtrend werde erst dann wahrscheinlich, wenn die Zuversicht wachse, dass eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik dauerhaft fortgesetzt werde. (08.09.2023/alc/a/a)





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