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Sind US-Staatsanleihen noch ein sicherer Hafen?


06.11.23 10:06
Degroof Petercam

Brüssel (www.anleihencheck.de) - Das Congressional Budget Office prognostiziert für die kommenden zehn Jahre ein durchschnittliches US-Haushaltsdefizit von 6,1%, so Raffaele Prencipe, Fund Manager Fixed Income bei Degroof Petercam Asset Management (DPAM).

Dagegen dürften in der Eurozone ab 2024 wieder Defizitregeln gelten, wonach kein Land mehr als 3% ins Minus rutschen dürfe.

Im August habe die Ratingagentur Fitch die USA von AAA auf AA+ herabgestuft und dies mit der erwarteten Verschlechterung der Haushaltslage, der hohen und steigenden Staatsverschuldung und der Erosion der politischen Führung begründet. Im September habe der US-Kongress in letzter Minute eine Schließung der Regierung abwenden können. Daraufhin sei der Sprecher des Repräsentantenhauses während einer Legislaturperiode abgesetzt worden, ein Novum in der US-Geschichte. Trotz höherer Zinsen habe sich das Wachstum im dritten Quartal deutlich beschleunigt. Eine weitere Anhebung sei möglich.

Gleichzeitig habe sich die Struktur des US-Schatzmarktes verändert. In den letzten Jahren seien die Hauptkäufer die US-Notenbank im Rahmen ihres Programms zur quantitativen Lockerung, ausländische Zentralbanken zum Aufbau von Devisenreserven und inländische Banken gewesen. Die Preissensibilität dieser Käufer sei gering gewesen. In den vergangenen zwei Jahren seien diese großen Inhaber jedoch zu Nettoverkäufern geworden. Und die neuen Käufer seien wesentlich preissensibler. All dies geschehe in einer Zeit, in der die Staatsverschuldung steige. Dadurch seien langfristige Anleihen wieder attraktiver geworden: Die Laufzeitprämie, d.h. die Differenz zwischen der aktuellen langfristigen Rendite und der erwarteten kurzfristigen Verzinsung über denselben Zeitraum, habe wieder ins Positive gedreht.

Die Risiken am kurzen und langen Ende würden sich unterscheiden: Wer 1-Jahres-Treasuries kaufe, müsse bei Rückzahlung möglicherweise zu einem niedrigeren Zinssatz anlegen. Bei 10-jährigen Anleihen lasse sich eine höhere Rendite sichern, aber es bestehe ein Zinsrisiko: Der Kurs der Anleihe könne fallen (das Verlustrisiko lasse sich durch Halten bis zur Fälligkeit vermeiden). 5- bis 7-jährige Anleihen seien ein möglicher Kompromiss.

Fazit: US-Staatsanleihen würden ein sicherer Hafen vor den Gefahren der meisten anderen Anlageklassen bleiben. Insgesamt seien die aktuellen Renditen attraktiv. Sie könnten jedoch weiter steigen, z.B. wenn sich die Laufzeitprämie vollständig normalisiere, oder sich umkehren, etwa im Falle einer Wirtschaftskrise. (06.11.2023/alc/a/a)