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Rentensentiment von deutlich anziehenden Renditen belastet


02.11.23 08:30
ALTE LEIPZIGER Trust

Oberursel (www.anleihencheck.de) - Die Entwicklung an den Rentenmärkten ist wohl der gewichtigste Faktor für die gegenwärtige Situation an den Aktienmärkten, so die Experten der Alte Leipziger Trust Investment-Gesellschaft mbH in ihrem aktuellen "Invest-Report".

Der Sprung der Renditen bei den langlaufenden US-Anleihen habe verunsichert. Es sei der Renditeanstieg für die 10-jährigen US-Bonds von unter 4% im Juli bis auf 5,02% gewesen, der die Märkte nicht unberührt habe lassen können. Zum einen, weil an diese Benchmark so ziemlich alle Konsumentenkredite in den USA gekoppelt seien und damit Rezessionsgefahren befeuert würden, zum anderen, weil es für Investoren immer lukrativer geworden sei, in den Bondmarkt zu investieren, wenn es - bislang vorübergehend - in allen Laufzeiten Renditen jenseits der 5%-Marke zu holen gebe.

Die auf ein 16-Jahres-Hoch gestiegenen Renditen der US-Treasuries würden vor allem dadurch angetrieben, dass die US-Regierung noch immer deutlich mehr ausgebe als sie einnehme. Das Haushaltsdefizit liege bei aktuell 8% des Staatshaushalts.

So sei die Verschuldung der USA innerhalb eines Monats um mehr als 604 Milliarden US-Dollar gestiegen. Die US-Administration sei bemüht, die Wirtschaft vor den Präsidentschaftswahlen im November 2024 zu stützen, zudem würden hohe Rüstungsausgaben und die Kriege in Israel und der Ukraine den Haushalt belasten.

An den hiesigen Anleihemärkten zeigen sich die Anleger unentschlossen, so die Experten der Alte Leipziger Trust. Zum einen würden sie sich um eine Ausweitung des Nahostkonfliktes sorgen. Käme es dazu, könnte eine neuerlich ausgelöste Energiekrise dazu führen, dass die gerade erst zurückgekommene Inflation - im Oktober habe sie sich auf 2,9% abgeschwächt - wieder spürbar steige.

Andererseits sei es aber auch denkbar, dass bei einer Ausweitung des Nahostkonfliktes die Renditen im Kontext einer "Flucht in Qualität" auch wieder spürbar zurückkommen könnten. Weiterhin beschäftige die Investoren die Inflations- und Leitzinsentwicklung nach der Devise "higher for longer": Würden die Notenbanken die Leitzinsen womöglich doch länger hochhalten als gedacht? Das halte die Renditen hoch und treibe sie weiter voran. Zuletzt seien die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen zwischen 2,7% und 3% gependelt. Sollten die Energiekosten bei einer Ausweitung der Nahostkrise steigen, würden die Konsumausgaben stark darunter leiden und die Inflation wieder kräftig anziehen. Nachdem die EZB angedeutet habe, dass das erreichte Leitzinsniveau wohl ausreiche, um die Inflation unter den aktuellen Rahmenbedingungen nachhaltig einzudämmen, gebe es aber gute Argumente dafür, die Zinsschrauben nicht weiter anzuziehen.

Die aktuelle Situation an den Märkten erinnere wieder ein wenig an den Oktober 2022, als sich die Aktien-Positionierung von Big Money beim S&P 500 auf einem ähnlichen Tief befunden habe wie jetzt. Das Sentiment habe ebenfalls Verzweiflung und Angst signalisiert, vielleicht aber noch ein wenig ausgeprägter, weil man sich einer Rezession in den USA und auch in Europa ziemlich sicher gewesen sei. Deshalb liege eine Gegenbewegung in der Luft, aber ob daraus mehr werde, hänge vor allem von der Entwicklung der Konjunktur ab - und anlagestrategisch von den Kapitalmarktzinsen, dem "natürlichen Gegner" der Dividendentitel. Würden die Renditen über 5% Prozent am langen Ende bleiben, hätte dies elementare Konsequenzen: Die US-Regierung geriete in immer größere haushaltstechnische Probleme und die hohen Zinsen würden der schuldenfinanzierten US-Wirtschaft erst recht Probleme bereiten. De facto wären die Aktienbewertungen auch aus heutiger Sicht noch zu hoch.

Die deutsche Wirtschaft sei im dritten Quartal geschrumpft, wenn auch weniger stark als erwartet. Zudem hätten sich durch Revisionen die Wachstumszahlen in den Vorquartalen verbessert. Zwar hätten sich zuletzt die Stimmungsindikatoren in der deutschen Wirtschaft stabilisiert, eine nachhaltige Konjunkturdynamik sei aber auch im Schlussquartal 2023 wohl nicht zu erwarten. Erst im Verlauf des kommenden Jahres sollte auch vor dem Hintergrund der sinkenden Inflation wieder mehr Wachstum möglich sein. Die EZB werde mit den deutschen Zahlen aber nicht unter Druck gesetzt, von der abwartenden Haltung abzuweichen, da die Inflationsberuhigung fortschreite. (Ausgabe November 2023) (Ausgabe November 2023) (02.11.2023/alc/a/a)