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Rentenmärkte: Renditen ohne klare Richtung


12.05.23 08:46
Hamburg Commercial Bank

Hamburg (www.anleihencheck.de) - In den vergangenen Tagen konnte sich kein klarer Trend bei der Entwicklung der langfristigen Renditen der Staatsanleihen in den USA und Deutschland durchsetzen, so die Analysten der Hamburg Commercial Bank AG.

Weiter angestiegene Leitzinsen, starke Arbeitsmarktzahlen und eine relativ robuste Konjunktur seien Faktoren gewesen, die die Renditen zeitweise nach oben getrieben hätten. Zuletzt hätten insbesondere die Inflationszahlen aus den USA dafür gesorgt, dass die Renditen wieder gefallen seien. Marktthemen seien außerdem die Debatte um die strittige Schuldenobergrenze in den USA sowie die nicht enden wollenden US-Regionalbankenkrise. Aktuell stünden Renditen 10-jähriger Treasuries bei 3,42% und der 10- jährigen Bunds bei 2,26%.

Die Arbeitsmärkte dies- und jenseits des Atlantiks hätten sich völlig unbeeindruckt von den Zinsanhebungen und Rezessionsängsten auf den Kapitalmärkten gezeigt. So sei laut Eurostat die Arbeitslosenquote der Eurozone im März auf 6,5% abgesunken. Experten hätten mit einem Rückgang auf 6,6% gerechnet. Das seien verblüffend gute Zahlen, wenn man berücksichtige, dass die Quote seit Einführung des Euro noch nie geringer gewesen sei. Auch in den USA habe die Robustheit des Arbeitsmarktes überrascht. Dort sei die Zahl der Beschäftigten im April um 235.000 Personen angestiegen, womit die Bloomberg-Schätzung von 185.000 deutlich übertroffen worden sei. Mit dem Rückgang der Arbeitslosenquote von 3,5% auf 3,4% sei der niedrigste Wert seit 1969 erreicht worden.

Starke Kopfschmerzen würden den Anlegern hingegen die Saga um den drohenden Zahlungsausfall der USA bereiten. US-Präsident Joe Biden habe versucht, die Märkte zu beschwichtigen, indem er versichert habe, dass alle politisch verantwortlichen Lager das Risiko eines Zahlungsausfalls verstanden hätten. Der Sprecher des US-Repräsentantenhaus, der Republikaner Kevin McCarthy, habe jedoch darauf verwiesen, dass er keinerlei Bewegung in den festgefahrenen Gesprächen feststellen könne.

Schon seit Mitte letzten Monats würden sich besonders kurzfristige Treasuries (Laufzeit: 1 Monat) in starkem Aufwind befinden. Mittlerweile lägen die Renditen 1-monatiger Treasuries über der 3-monatigen bei etwa 5,56%, zwischenzeitlich sei eine Rendite von 5,75% erreicht worden.

Unklar sei, inwieweit die Regionalbankenkrise allmählich unter Kontrolle gebracht sei. Zuletzt hätten sich die Kurse von einigen kritisch beäugten Regionalbanken wie Western Alliance und PacWest auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Fast ein Dutzend von Regionalbanken mit einem Bilanzvolumen zwischen 80 und 200 Mrd. US-Dollar seien im Fokus der Anleger, wie die Kursverluste seit Anfang März von 30 bis 80% zeigen würden. Dass in dieser Situation weitere Institutionen ihre Selbstständigkeit verlieren würden, erscheine keine gewagte Prognose zu sein. Die Frage sei vielmehr, wie stark ein weiterer Zusammenbruch einer der Banken die Märkte insgesamt noch beunruhigen würde.

Die besser als erwarteten Inflationszahlen von 4,9% YoY im April, die im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Prozentpunkt niedriger ausgefallen sei, hätten Renditen von Staatsanleihen zuletzt deutlich fallen lassen. Die 10-jährigen Renditen für Treasuries und Bunds hätten jeweils zwischenzeitlich sogar um ganze 5 BP nachgelassen. Futures hätten gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die FED die Zinsen im Juni wieder anheben werde, von 21,9% kurz vor der Veröffentlichung der Daten auf 13,1% gesunken sei. Eine Zinspause werde im Juni-Meeting der FED somit laut Markterwartungen immer wahrscheinlicher.

In Europa sehe die Welt dagegen anders aus. Hier würden die Analysten im Juni-Meeting noch eine weitere Zinsanhebung um 25 BP erwarten. In die Richtung tendiere auch das als hawkish eingeschätzte Ratsmitglied Peter Kazimir. In einem kürzlich veröffentlichten Blog-Beitrag habe er erklärt, dass die EZB, basierend auf den heutigen Daten, die Zinssätze länger als erwartet erhöhen beziehungsweise auf erhöhtem Niveau belassen müsse.

Datenseitig würden die Analysten spannende Neuigkeiten aus den USA erwarten. Dort stünden zunächst (12.5.) Zahlen der Uni Michigan zum Verbrauchervertrauen in den USA an, diese dürften laut Bloomberg-Schätzung im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Punkte auf 63 Punkte fallen. Diesem Trend dürften dann die Einzelhandelsdaten (16.5), aufgrund erschwerten Finanzierungskonditionen, ebenfalls folgen. Leiden dürften auch die Industrieproduktion (15.5.) in der Eurozone, denn nach bereits veröffentlichen Zahlen in Deutschland, Italien und Frankreich leide der Sektor besonders unter der abkühlenden globalen Nachfrage. (Ausgabe vom 11.05.2023) (12.05.2023/alc/a/a)