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Rentenmärkte: Anleger glauben an einen Deal in Washington


25.05.23 15:00
Hamburg Commercial Bank

Hamburg (www.anleihencheck.de) - Die Rentenmärkte werden nervöser, so die Analysten der Hamburg Commercial Bank.

Den USA könnte am 1. Juni das Geld ausgehen, falls sich Republikaner und Demokraten bis dahin nicht auf einen Deal über die Erhöhung der Schuldenobergrenze einigen würden. Die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition würden zwischen Hoffnung und Resignation schwanken. Ebenso ein unklares Bild böten die Einkaufsmanagerindices für die Konjunktur in den USA und Deutschland im Mai.

Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Einschätzung der Lage seien die Marktteilnehmer über die Zinsentscheidung im Juni gespalten. In dieser Gemengelage hätten die Renditen der Staatsanleihen in den USA und Deutschland in den vergangenen Tagen nach oben tendiert. Zehnjährige Renditen für T-Notes stünden aktuell bei 3,75% und für Bunds bei 2,47%.

Auch wenn in Europa die akuten Rezessionsängste vom Tisch zu sein scheinen, hätten die jüngst veröffentlichten Zahlen des HCOB Flash PMI-Einkaufsmanagerindex für die Eurozone gezeigt, dass sich die Unternehmensstimmung etwas eingetrübt habe. Schwierig sei die Situation im Verarbeitenden Gewerbe, wo die Unternehmen bei niedrigeren Inputpreisen und entspannteren Lieferketten mit der Abkühlung der globalen Nachfrage zu kämpfen hätten.

Mit einem Wert von 45,8 befinde sich der PMI für das Verarbeitende Gewerbe im schrumpfenden Bereich. Wesentlich stabiler sehe es bei den Dienstleistungen aus. Diese seien zwar schwächer als erwartet, aber mit einem Indexwert von 55,9 im robusten Wachstumsbereich. In den USA hätten die PMIs einen ähnlich geteilten Eindruck vermittelt, mit wachsenden Dienstleistungen und schrumpfender Industrie.

Viel wichtiger scheine, zumindest kurzfristig, der Blick der Anleger auf Washington, wo Kevin McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses mit Präsident Joe Biden über einen Kompromiss im Schuldenstreit verhandele. In dieser Zeit werde die Finanzministerin Janet Yellen nicht müde zu betonen, dass ihrem Ministerium zum 1. Juni die Mittel ausgehen würden. Schätzungen der Investmentbank Goldman Sachs zufolge würden die finanziellen Mittel des Finanzministeriums wohl zum 9. Juni unter die 30 Mrd. US-Dollar-Marke fallen, das wohl das äußerste Minimum der finanziellen Handlungsfähigkeit der US-Regierung markiere.

Die Investoren scheinen sich von den Worten Kevin McCarthys beruhigen zu lassen, denn der habe zwar keinen Durchbruch in den Verhandlungen zu vermelden gehabt, habe jedoch von produktiven Gesprächen gesprochen und sich zuversichtlich gegenüber den Medien gezeigt. Auch Präsident Biden scheine entschlossen zu sein, einen Deal zu machen, denn er habe eine wichtige Auslandsreise verkürzt, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Daraufhin hätten sogar die Renditen der Ein-Monats T-Bills von einem hohen Niveau aus etwas nachgelassen, sie würden aktuell bei 5,67% rentieren.

Bei einer noch zu hohen Inflation, Streitigkeiten um die Schuldenobergrenze und noch nicht ausgestandener Bankenkrise wolle man dieser Tage ungern in den Schuhen der Währungshüter in den USA stecken. Die Vertreter der US-Notenbank seien sich zunehmend uneinig darüber, ob sie auf ihrer Sitzung im nächsten Monat die Zinssätze anheben oder eine Pause bei der Straffung der Geldpolitik einlegen sollten.

Die Präsidentin der Federal Reserve Bank of Dallas Lorie Logan habe gesagt, die Argumente für eine Pause im nächsten Monat seien nicht klar. Zentralbank-Gouverneur Philip Jefferson habe hingegen zwar vorgeschlagen, abzuwarten, wie sich die bisherige Straffung der FED auf die Wirtschaft auswirke. Die Analysten würden davon ausgehen, dass im kommenden Meeting im Juni wohl eine Zinspause eingelegt werden werde.

Deutlich hawkisher seien die Töne aus Europa, wo EZB-Präsidentin Christine Lagarde klar signalisiert habe, dass alle nötigen Schritte eingeleitet würden, um "die Inflation wieder auf zwei Prozent zurückzuführen." Laut dem als hawkish bekannten Bundesbankchef Joachim Nagel müssten im Kampf gegen die Inflation die Zinsen hochgeschraubt werden, auch wenn dabei Dämpfer für die Wirtschaft in Kauf genommen werden müssten. Daher scheine für das EZB-Meeting am 15. Juni alles auf eine Zinserhöhung von 25 BP hinauszulaufen.

Am 28. Mai stünden Kommunalwahlen in Spanien an, die als Test hinsichtlich der diesjährigen Nationalwahlen für die Regierung von Pedro Sanchez gewertet werden könnten. Am selben Tag (28.5.) gehe die Suche nach dem türkischen Präsidenten in eine Stichwahl. Nachdem Präsident Recep Erdogan den ersten Wahlgang mit überraschend großem Abstand (5 Prozentpunkte) zum erfolgreichsten Kontrahenten Kilicdaroglu für sich entschieden habe, sei Erdogan dennoch unter der notwendigen absoluten Mehrheit geblieben. Experten zufolge sei wohl die Wiederwahl Erdogans ungefährdet.

Datenseitig erwarte der Markt mit besonderer Gespanntheit Inflations- (PCE Deflator, 26.5.) und Arbeitsmarktdaten (Payrolls und Arbeitslosenquote, 2.6.) in den USA, da diese den Märkten einen Hinweis darüber geben könnte, ob die FED im Juni-Meeting in ihrer Zinsentscheidung eher zu einer Pause oder weiterer Erhöhung tendieren werde. Die erste Inflationsschätzung für die Eurozone (1.6.) dürfte die EZB in ihrer Entschlossenheit weiter Zinssteigerungen vorzunehmen weiter bestärken. (25.05.2023/alc/a/a)