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Nun doch: Märkte erwarten EZB-Zinserhöhung


14.09.23 12:15
Hamburg Commercial Bank

Hamburg (www.anleihencheck.de) - Die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen in den USA erleben derzeit eine Korrektur, nachdem sie in den letzten Tagen angestiegen waren, so Dr. Tariq Chaudhry, Economist bei der Hamburger Commercial Bank.

Die Rendite der T-Notes habe sich von ihrem Höchststand von 4,34% auf 4,28% verringert, während die Rendite der deutschen Bundesanleihen auf 2,66% leicht angestiegen sei. Diese kurzfristige Abwärtsbewegung bei den T-Notes sei trotz enttäuschender US-Inflationszahlen im August gekommen, insbesondere die anhaltend höhere Kerninflation im Vergleich zur Gesamtinflation, gebe den Märkten Anlass zur Sorge. Die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA würden hingegen auf eine Verlangsamung des Wachstums hindeuten. Sowohl die Konsumentenausgaben als auch die Verfügbarkeit von Konsumentenkrediten würden signalisieren, dass der Druck schwieriger Refinanzierungsbedingungen nun durchschlage. In Deutschland bleibe die Lage angespannt, da die Daten zeigen würden, dass die Krise im verarbeitenden Gewerbe im Juli noch nicht überwunden sei. Möglicherweise könnten steigende Energiekosten und die Bewältigung der deflatorischen Signale in China die Probleme weiter verschärfen. Die Märkte würden eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte (BP) in Washington als unwahrscheinlich einschätzen, während sie in Frankfurt mittlerweile sogar als die wahrscheinlichere Variante angesehen werde.

Steigende Preise für Benzin und Flugtickets hätten in den USA zu einem erneuten Anstieg der Teuerungsrate geführt. Im Vergleich zum Vorjahr habe die Inflationsrate im August 3,7 Prozent betragen, was sogar über den Erwartungen der Analysten gelegen habe. Im Juli habe die Rate noch bei 3,2 Prozent gelegen. Die Kerninflation, bei der volatile Preise für Energie und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt würden, sei von 4,7 auf bereits erwarteten 4,3 Prozent gesunken. Laut der neuesten Markets Live Pulse-Umfrage von Bloomberg stehe der US-Verbraucher vor finanziellen Herausforderungen, nachdem er die Rezession länger hinausgezögert habe als viele erwartet hätten. Mehr als die Hälfte der 526 Befragten habe angegeben, dass sie Anfang 2024 einen Rückgang des privaten Verbrauchs erwarten würden. Darüber hinaus sei der Anteil der Haushalte, die angegeben hätten, dass der Zugang zu Krediten nun schwieriger sei als vor einem Jahr, auf den höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Juni 2013 gestiegen. Eine wachsende Anzahl von Menschen erwarte auch, dass es im kommenden Jahr schwieriger sein werde, Kredite zu erhalten.

Die wirtschaftliche Situation in Deutschland bleibe besorgniserregend, insbesondere die Produktionszahlen im Juli würden ein düsteres Bild zeichnen. Die Industrieproduktion habe einen unerwartet starken Rückgang von 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat verzeichnet, während Analysten durchschnittlich lediglich mit einem Minus von 0,4 Prozent gerechnet hätten. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Produktion sogar um 2,1 Prozent zurückgegangen. Ebenso seien die Daten zum Auftragseingang in der deutschen Industrie deutlich schlechter als erwartet ausgefallen. Die Bestellungen seien im Juli gegenüber dem Vormonat um 11,7 Prozent gesunken und hätten 10,5 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats gelegen. Im Durchschnitt hätten Analysten einen monatlichen Rückgang von 4,3 Prozent prognostiziert. Allerdings sehe das Bild weniger dramatisch aus, wenn man Großaufträge herausrechne, denn dann ergebe sich sogar ein geringfügiger Zuwachs gegenüber dem Vormonat. Auch sei zu berücksichtigen, dass im Vormonat die Auftragseingänge kräftig zugelegt hätten.

An den Ölmärkten seien die Notierungen vor dem Hintergrund der jüngsten Flutschäden in Libyen und der anhaltenden Produktionskürzungen in Saudi-Arabien kräftig gestiegen. Der Preis für die Sorte Brent habe ein 10-Monatshoch von über 92 USD pro Barrel erreicht, was erneut zu Inflationsängsten führe. Die Hoffnungen auf eine Entspannung der Inflation in den westlichen Ländern durch eine deflatorische Entwicklung in China seien zudem enttäuscht worden, da die Preise für Waren und Dienstleistungen in China im August um 0,1% im Jahresvergleich angestiegen seien. Im Vormonat habe dieser Wert noch bei -0,3% gelegen. Es bleibe abzuwarten, wie nachhaltig dieser Trendwechsel in China sein werde.

Aufgrund der deutlich höheren Inflationsrate in der Eurozone im Vergleich zu den USA hätten die Märkte Schwierigkeiten, daran zu glauben, dass die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits abgeschlossen seien. Infolgedessen werde laut marktbasierter Bloomberg-Schätzung nun doch eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte (BP) im September-Meeting der EZB mit einer Wahrscheinlichkeit von 63% erwartet. In den USA hingegen werde eine Zinserhöhung im September als weitaus unwahrscheinlicher angesehen, mit nur 2,3% Wahrscheinlichkeit.

Die Hamburg Commercial Bank halte eine Zinspause der EZB dennoch für möglich, begleitet von einer hawkischen Rhetorik, in der eben auf die Inflationsrisiken hingewiesen werde, aber auch auf den Umstand, dass die Geldpolitik stets mit einer Verzögerung auf die Wirtschaft durchschlage und man deswegen noch etwas abwarten möchte. Eine weitere Zinserhöhung könnte aber in diesem Zuge in Aussicht gestellt werden. Wichtig werde auch sein, die neuen Projektionen der EZB im Blick zu haben. Hier werde man sehen, für wann die EZB das Erreichen des Inflationsziels für möglich halte. Wenn sie beispielsweise nicht einmal für 2025 das Inflationsziel erreicht sehe, wäre das ein Signal, dass man noch weitere Zinserhöhungen plane.

Datenseitig schaue man zunächst nach China, dort würden Einzelhandelsumsätze (15.09.) erwartet, die in den letzten Monaten äußerst schlecht ausgefallen seien. Zuletzt veröffentlichte Inflationszahlen würden Hoffnung machen, dass sich die Umsätze erholen dürften. Die Konsensschätzung rechne mit einem Anstieg von 3% im Jahresvergleich. Die Federal Reserve werde in der kommenden Woche (20.09.) zu ihrem September-Meeting zusammenkommen. Es bestehe weitgehender Konsens darüber, dass eine Zinspause erwartet werde. Weiterhin stünden die HCOB Flash PMIs für die Eurozone, Deutschland und Frankreich auf dem Terminkalender (22.09.). (Wochenbarometer vom 14.09.2023) (14.09.2023/alc/a/a)