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Klimawandel beeinflusst längst die Geldpolitik
13.11.23 10:35
Nord LB
Hannover (www.anleihencheck.de) - Im allgegenwärtigen Diskurs um das Thema Nachhaltigkeit stehen neben überstaatlichen Zusammenschlüssen häufig der öffentliche und private Sektor im Zentrum, so die Analysten der Nord LB.
Doch auch auf Seiten der Währungshüter aus Frankfurt sei längst einiges in Bewegung. "Wir haben erkannt, dass der Klimawandel eine existenzielle Herausforderung für die Welt darstellt und dass er für das Mandat der EZB von strategischer Bedeutung ist", habe EZB-Präsidentin Lagarde bereits Anfang Juli 2021 auf der Pressekonferenz zum Abschluss des letzten turnusmäßigen Strategy Review erklärt. Zwar sei die EZB zuallererst der Preisstabilität im Euroraum verpflichtet, doch erkenne sie die Notwendigkeit an, innerhalb ihres Mandats Klimaschutzaspekte in ihren geldpolitischen Handlungsrahmen einzubeziehen.
Der EZB-Rat habe daher beschlossen, die Auswirkungen des Klimawandels in die künftige geldpolitische Strategie zu integrieren. Passend dazu sei ein Maßnahmenpaket vorgelegt worden, das neben zunächst internem Ressourcenaufbau explizit die Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in geldpolitischen Bereichen wie dem Umgang mit Sicherheiten und Ankaufprogrammen sowie auch dem Risikomanagement benenne.
In Bezug auf Letzteres seien nur wenige Monate später im September die Ergebnisse des EU-weiten Pilot-Klimastresstest von EZB-Vizepräsident de Guindos präsentiert worden. Im Jahr 2021 sei damit ein wichtiger Meilenstein beim Einbezug von Klimaschutzaspekten in die Geldpolitik der EZB erreicht worden - Klimaschutz sei seither längst Bestandteil des geldpolitischen Rahmens geworden.
Ein Jahr nach Abschluss des Strategy Review und "einen Pilot-Klimastresstest später" habe die EZB-Pressestelle im Juli 2022 eine wichtige Konkretisierung der im ersten Aufschlag avisierten Klimaschutzaspekte im Rahmen ihrer geldpolitischen Strategie veröffentlicht. Man wolle die CO2-Bilanz des Ankaufprogramms von Unternehmensanleihen (namentlich "CSPP"; damaliger Anteil am Gesamtportfolio etwa 10%) künftig auf die Pariser Klimaschutzziele ausrichten. Randnotiz: Dies entspreche den Klimazielen der EU-Kommission, welche seither damit auch Unterstützung vonseiten der Währungshüter erfahren würden.
Konkret seien der Pressemitteilung u.a. Anpassungen beim Umgang mit Sicherheiten zu entnehmen gewesen: "Das Eurosystem strebt eine schrittweise Dekarbonisierung der Bestände an Unternehmensanleihen an, die mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang steht. Zu diesem Zweck wird das Eurosystem die Bestände über Reinvestitionen hin zu Emittenten mit besserer Klimabilanz um-schichten" - habe es dazu erstmals geheißen.
Daneben solle der Ausbau des Risikomanagements - beispielsweise durch jährliche Klimastresstests - unter Einbezug der laufenden EU-Initiativen zu klimabezogener Berichterstattung fortgesetzt werden. Nicht zuletzt habe auch die Reduktion finanzieller Risiken in der Bilanz des Eurosystems im Zusammenhang mit Klimarisiken dabei eine wichtige Rolle gespielt.
Der Klimawandel, Extremwetterereignisse und die Energiewende würden es der EZB perspektivisch immer schwerer machen, geldpolitische Entscheidungen auf Basis der Einschätzung der wirtschaftlichen Gesundheit der Eurozone zu treffen. In einer im Juni 2023 erschienen Analyse des EZB-Stabs im Rahmen des monatlichen ECB Economic Bulletin seien alle drei Herausforderungen als Einflussfaktoren auf das Produktionspotenzial im Euroraum untersucht worden. Demnach seien diese Variablen bereits jetzt ein wichtiger Bestandteil der vierteljährlichen Projektionen, die den Währungshütern als Grundlage der Zinsentscheide und weiterer Handlungsoptionen dienen würden.
Laut dem Autor und EZB-Ökonom Miles Parker richte ein ungebremster Klimawandel beim Produktionspotenzial der EU auf lange Sicht wesentlich mehr Schaden an, als die Auswirkungen einer Transition hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft. Die "beträchtlichen lokalen Auswirkungen" des Klimawandels auf bestimmte Regionen und Sektoren - welche auch bereits in den vorangegangen EZB-Klimastresstest untersucht und adressiert worden seien - sowie die Ungewissheit über die Reaktionen von Unternehmen und Menschen würden es noch schwieriger machten, die Folgen zu beurteilen, so Parker. Dies gelte besonders auch angesichts dessen, dass geldpolitische Entscheidungen einheitlich für alle 20 Länder der Eurozone festgelegt würden.
Aus dem EZB-Direktorium selbst seien wenig überraschend durchaus unterschiedliche Sichtweisen auf die maßgeblich unter Präsidentin Lagarde vorangetriebene Integration von Klimaschutzaspekten in die geldpolitische Strategie zu vernehmen. Einigen Direktoriumsmitgliedern würden die bisherigen Maßnahmen dabei nicht weit genug gehen, andere wiederum würden sich eher auf die ureigene Aufgabe der EZB rückbesinnen wollen. Auf dem International Symposium on Central Bank Independence habe Isabel Schabel am 10. Januar 2023 eine bis dato wegweisende Rede im Kontext grüner Geldpolitik gehalten.
Das Zinsumfeld und die hohe Inflation würden die grüne Transformation gefährden, weshalb die EZB ihre Bemühungen weiter verstärken müsse - habe Schnabel gemahnt. Die EZB könne bei der grüneren Ausrichtung ihrer Anleihebestände ihre Klimaziele nicht erreichen, wenn die Währungshüter sich lediglich auf die Reinvestitionen konzentrieren würden. Man müsse daher auch aktiv in die Bestände eingreifen und gegebenenfalls Anleihen auch vor Fälligkeit zugunsten einer besseren Klimabilanz austauschen. Bis zu diesem Auftritt sei vonseiten der EZB noch nie von möglichen Umschichtungen innerhalb der Anleihebestände die Rede gewesen, lediglich von einem "Tilting" der Reinvestitionen.
Ein weiterer Schmerzpunkt sei mit dem Hinweis auf die massiven Bestände aus dem öffentlichen Sektor getroffen worden, die bekanntlich den Löwenanteil der Bilanz des Eurosystems stellen würden. Die Klimabilanz dieser Bestände zu verbessern, gestalte sich allerdings ungleich schwieriger, denn die Orientierung an den Kapitalschlüsseln der Mitgliedsstaaten limitiere ein Vorgehen anhand von beispielsweise CO2-Intensität. Zudem stehe schon bald eine weitere Limitation bevor: Mit einem bereits abschmelzen Portfolio im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) und den nach aktueller Kommunikation Ende 2024 auslaufenden Reinvestition im Rahmen des Pandemie-Notankaufprogramms (PEPP) dürften die klimatischen Effekte von etwaigen Umschichtungen deutlich an Wirkung verlieren.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel habe jüngst im Mai betont, dass die EZB den Klimawandel bekämpfen und den Übergang zu nachhaltiger Energieerzeugung am besten unterstützen könne, indem sie die Inflation im Zaum halte. Nagel habe sich auf einer Konferenz in Eltville am Rhein geäußert und unterstrichen, dass die Notenbank unmissverständlich ihre Bereitschaft zur Erfüllung ihres Mandats bekräftigen sollte.
Nagel habe erklärt: "Ich betrachte die Sicherung der Preisstabilität als den Ausgangspunkt und Be-zugspunkt für die Berücksichtigung klimabezogener Fragen in der Geldpolitik." Er habe hinzugefügt: "Der grüne Wandel erfordert erhebliche Investitionen in technologische Innovationen und erneuerbare Energien." Entscheidungen in dieser Hinsicht seien "in einem Umfeld, das von Preisstabilität geprägt ist, einfacher zu treffen." Zumindest bei diesem Satz dürfte sich das EZB-Direktorium einig sein. (Ausgabe November 2023) (13.11.2023/alc/a/a)
Doch auch auf Seiten der Währungshüter aus Frankfurt sei längst einiges in Bewegung. "Wir haben erkannt, dass der Klimawandel eine existenzielle Herausforderung für die Welt darstellt und dass er für das Mandat der EZB von strategischer Bedeutung ist", habe EZB-Präsidentin Lagarde bereits Anfang Juli 2021 auf der Pressekonferenz zum Abschluss des letzten turnusmäßigen Strategy Review erklärt. Zwar sei die EZB zuallererst der Preisstabilität im Euroraum verpflichtet, doch erkenne sie die Notwendigkeit an, innerhalb ihres Mandats Klimaschutzaspekte in ihren geldpolitischen Handlungsrahmen einzubeziehen.
Der EZB-Rat habe daher beschlossen, die Auswirkungen des Klimawandels in die künftige geldpolitische Strategie zu integrieren. Passend dazu sei ein Maßnahmenpaket vorgelegt worden, das neben zunächst internem Ressourcenaufbau explizit die Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in geldpolitischen Bereichen wie dem Umgang mit Sicherheiten und Ankaufprogrammen sowie auch dem Risikomanagement benenne.
In Bezug auf Letzteres seien nur wenige Monate später im September die Ergebnisse des EU-weiten Pilot-Klimastresstest von EZB-Vizepräsident de Guindos präsentiert worden. Im Jahr 2021 sei damit ein wichtiger Meilenstein beim Einbezug von Klimaschutzaspekten in die Geldpolitik der EZB erreicht worden - Klimaschutz sei seither längst Bestandteil des geldpolitischen Rahmens geworden.
Ein Jahr nach Abschluss des Strategy Review und "einen Pilot-Klimastresstest später" habe die EZB-Pressestelle im Juli 2022 eine wichtige Konkretisierung der im ersten Aufschlag avisierten Klimaschutzaspekte im Rahmen ihrer geldpolitischen Strategie veröffentlicht. Man wolle die CO2-Bilanz des Ankaufprogramms von Unternehmensanleihen (namentlich "CSPP"; damaliger Anteil am Gesamtportfolio etwa 10%) künftig auf die Pariser Klimaschutzziele ausrichten. Randnotiz: Dies entspreche den Klimazielen der EU-Kommission, welche seither damit auch Unterstützung vonseiten der Währungshüter erfahren würden.
Konkret seien der Pressemitteilung u.a. Anpassungen beim Umgang mit Sicherheiten zu entnehmen gewesen: "Das Eurosystem strebt eine schrittweise Dekarbonisierung der Bestände an Unternehmensanleihen an, die mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang steht. Zu diesem Zweck wird das Eurosystem die Bestände über Reinvestitionen hin zu Emittenten mit besserer Klimabilanz um-schichten" - habe es dazu erstmals geheißen.
Der Klimawandel, Extremwetterereignisse und die Energiewende würden es der EZB perspektivisch immer schwerer machen, geldpolitische Entscheidungen auf Basis der Einschätzung der wirtschaftlichen Gesundheit der Eurozone zu treffen. In einer im Juni 2023 erschienen Analyse des EZB-Stabs im Rahmen des monatlichen ECB Economic Bulletin seien alle drei Herausforderungen als Einflussfaktoren auf das Produktionspotenzial im Euroraum untersucht worden. Demnach seien diese Variablen bereits jetzt ein wichtiger Bestandteil der vierteljährlichen Projektionen, die den Währungshütern als Grundlage der Zinsentscheide und weiterer Handlungsoptionen dienen würden.
Laut dem Autor und EZB-Ökonom Miles Parker richte ein ungebremster Klimawandel beim Produktionspotenzial der EU auf lange Sicht wesentlich mehr Schaden an, als die Auswirkungen einer Transition hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft. Die "beträchtlichen lokalen Auswirkungen" des Klimawandels auf bestimmte Regionen und Sektoren - welche auch bereits in den vorangegangen EZB-Klimastresstest untersucht und adressiert worden seien - sowie die Ungewissheit über die Reaktionen von Unternehmen und Menschen würden es noch schwieriger machten, die Folgen zu beurteilen, so Parker. Dies gelte besonders auch angesichts dessen, dass geldpolitische Entscheidungen einheitlich für alle 20 Länder der Eurozone festgelegt würden.
Aus dem EZB-Direktorium selbst seien wenig überraschend durchaus unterschiedliche Sichtweisen auf die maßgeblich unter Präsidentin Lagarde vorangetriebene Integration von Klimaschutzaspekten in die geldpolitische Strategie zu vernehmen. Einigen Direktoriumsmitgliedern würden die bisherigen Maßnahmen dabei nicht weit genug gehen, andere wiederum würden sich eher auf die ureigene Aufgabe der EZB rückbesinnen wollen. Auf dem International Symposium on Central Bank Independence habe Isabel Schabel am 10. Januar 2023 eine bis dato wegweisende Rede im Kontext grüner Geldpolitik gehalten.
Das Zinsumfeld und die hohe Inflation würden die grüne Transformation gefährden, weshalb die EZB ihre Bemühungen weiter verstärken müsse - habe Schnabel gemahnt. Die EZB könne bei der grüneren Ausrichtung ihrer Anleihebestände ihre Klimaziele nicht erreichen, wenn die Währungshüter sich lediglich auf die Reinvestitionen konzentrieren würden. Man müsse daher auch aktiv in die Bestände eingreifen und gegebenenfalls Anleihen auch vor Fälligkeit zugunsten einer besseren Klimabilanz austauschen. Bis zu diesem Auftritt sei vonseiten der EZB noch nie von möglichen Umschichtungen innerhalb der Anleihebestände die Rede gewesen, lediglich von einem "Tilting" der Reinvestitionen.
Ein weiterer Schmerzpunkt sei mit dem Hinweis auf die massiven Bestände aus dem öffentlichen Sektor getroffen worden, die bekanntlich den Löwenanteil der Bilanz des Eurosystems stellen würden. Die Klimabilanz dieser Bestände zu verbessern, gestalte sich allerdings ungleich schwieriger, denn die Orientierung an den Kapitalschlüsseln der Mitgliedsstaaten limitiere ein Vorgehen anhand von beispielsweise CO2-Intensität. Zudem stehe schon bald eine weitere Limitation bevor: Mit einem bereits abschmelzen Portfolio im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) und den nach aktueller Kommunikation Ende 2024 auslaufenden Reinvestition im Rahmen des Pandemie-Notankaufprogramms (PEPP) dürften die klimatischen Effekte von etwaigen Umschichtungen deutlich an Wirkung verlieren.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel habe jüngst im Mai betont, dass die EZB den Klimawandel bekämpfen und den Übergang zu nachhaltiger Energieerzeugung am besten unterstützen könne, indem sie die Inflation im Zaum halte. Nagel habe sich auf einer Konferenz in Eltville am Rhein geäußert und unterstrichen, dass die Notenbank unmissverständlich ihre Bereitschaft zur Erfüllung ihres Mandats bekräftigen sollte.
Nagel habe erklärt: "Ich betrachte die Sicherung der Preisstabilität als den Ausgangspunkt und Be-zugspunkt für die Berücksichtigung klimabezogener Fragen in der Geldpolitik." Er habe hinzugefügt: "Der grüne Wandel erfordert erhebliche Investitionen in technologische Innovationen und erneuerbare Energien." Entscheidungen in dieser Hinsicht seien "in einem Umfeld, das von Preisstabilität geprägt ist, einfacher zu treffen." Zumindest bei diesem Satz dürfte sich das EZB-Direktorium einig sein. (Ausgabe November 2023) (13.11.2023/alc/a/a)