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Kapitalmarkt: Warten auf Godot


14.09.23 10:15
Raiffeisen Capital Management

Wien (www.anleihencheck.de) - Nach stärkeren Zinsanhebungen durch Notenbanken folgen in aller Regel Marktphasen, in denen sowohl Aktien als auch die Renditen von Staatsanleihen fallen, so Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.

Der Auslöser für diese Entwicklungen sei eine Abschwächung der Wirtschaft bis hin zur Rezession mit den entsprechenden Auswirkungen auf Unternehmensgewinne (fallend) und Inflation (fallend). Die Abschwächung der Wirtschaft werde von den Notenbanken in Kauf genommen, wenn nicht sogar angestrebt, gehe es doch darum, den nachfrageseitigen Inflationsdruck zu vermindern. Soweit zur Theorie. In den letzten zwei Jahren hätten die Experten nun den stärksten Inflationsanstieg seit Jahrzehnten gesehen. Dieser habe zu einem Zinsanstieg geführt, der im Arbeitsleben der meisten Marktteilnehmenden beispiellos sei, müsse man doch in die 1980er Jahre zurückgehen, um Vergleichbares zu sehen.

Einzig, die oben beschriebenen Auswirkungen seien bis jetzt nicht eingetreten. Der US-Aktienmarkt sowie die Renditen von US-Staatsanleihen würden nahe ihrer langjährigen Höchststände notieren und die US-Wirtschaft überrasche laufend positiv. "Rezession vorläufig abgesagt" hätten die Experten aufgrund dessen in ihrer letzten Ausgabe getitelt. Beim Wirkungsmechanismus der Geldpolitik gebe es allerdings umfangreiche zeitliche Verzögerungen. Wenn die Zinsen heute steigen würden, spüre das die Wirtschaft vollumfänglich erst bis zu einem Jahr später. Insofern hätten die Zinsanhebungen des Jahres 2023 ihre bremsende Wirkung auf die Wirtschaft noch nicht zur Gänze entfaltet.

Darüber hinaus gebe es Einflüsse, die die Bemühungen der Geldpolitik zum Teil konterkarieren würden. Hier sei etwa die expansive Fiskalpolitik vieler Staaten zu nennen. Schließlich dürfte es noch Nachzieheffekte aus der Pandemie geben, siehe Tourismus und andere Dienstleistungsbereiche. Diese Effekte würden jedoch tendenziell auslaufen, während die Notenbanken die Zinsen noch für einige Zeit hoch halten würden, bis die gewünschten Effekte eingetreten seien. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sei in Bezug auf schwächere Wirtschaft, sinkende Aktien und fallende Anleiherenditen daher treffender als der Titel dieses Textes. Denn anders als das Eintreffen von Godot sei das Eintreten dieser Entwicklungen nur eine Frage der Zeit.

Die Renditen von Euro-Staatsanleihen hätten zuletzt seitwärts bis leicht höher tendiert. Risikoprämien von Euro-Staatsanleihen, vor allem für italienische Papiere, hätten sich ebenfalls seitwärts bewegt. Die Experten würden die aktuellen Renditen von Euro-Staatsanleihen als attraktiv erachten, und hätten die Position daher aufgestockt. Gleichzeitig würden sie auch US-Staatsanleihen positiv sehen.

An den Unternehmensanleihe-Märkten seien die Risikoprämien bei Investmentgrade-Anleihen in Euro zuletzt leicht angestiegen. High Yield-Spreads hätten hingegen seitwärts tendiert. Konjunkturindikatoren hätten sich vor allem in der Kern-Eurozone auffallend schwach präsentiert. Insbesondere für die deutsche Wirtschaft seien die Aussichten besonders mau. In Summe präsentiere sich das Risikosentiment aber trotz schwachen Ausblicks vergleichsweise positiv und diskontiere die fundamentale Schwäche de facto kaum.

Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen hätten sich weiterhin vergleichsweise gut behauptet. Die Experten würden aber vor allem aus China sehr schwache Konjunkturdaten und ein Verpuffen der dortigen Stimulus-Maßnahmen beobachten. In Summe würden sie kein Abkoppeln der Emerging-Markets-Anleihespreads von den Risikoprämien in den entwickelten Märkten erwarten, wo sie derzeit eher mit einem Anstieg derselben rechnen würden.

Die internationalen Aktienmärkte hätten sich zuletzt relativ fest präsentiert. In den USA habe es die letzten Monate positive Konjunkturüberraschungen gegeben (vs. den Erwartungen), während in Europa die Enttäuschungen überwögen. Bei den Marktteilnehmenden setze sich immer mehr die Einschätzung durch, dass nach den Zinsanhebungen der letzte Quartale Zinssenkungen nicht unmittelbar anstünden. Die sehr positive Stimmung bei den Investoren (Kontraindikator) habe sich im letzten Monat zwar etwas abgekühlt, die Experten würden daher vorerst abwartend bleiben.

Mittlerweile liege das konjunkturelle Momentum in China derart darnieder, dass nun Stimulusmaßnahmen in regelmäßiger Abfolge verlautbart würden, um eine Trendumkehr zu bewirken. Vor allem der Immobiliensektor sei das Sorgenkind der chinesischen Wirtschaft. Das schwache Momentum sei auch in der Gewinnentwicklung erkennbar, wo weiterhin Enttäuschungen zu verzeichnen seien. Daher steige auch die Bewertung der asiatischen Aktienregion an. Allenfalls der Technologiesektor schaffe es, sich ansprechend zu entwickeln.

In den letzten Wochen habe sich vor allem der Energiebereich fester präsentiert. Die erneute Förderkürzung und in der Folge Aussagen zur weiteren Angebotsentwicklung hätten beim Öl für Unterstützung gesorgt. Im Bereich der Industriemetalle würden die schwachen Daten aus dem verarbeitenden Bereich belasten, zuletzt hätten die Stimulus-Maßnahmen in China etwas unterstützt. (14.09.2023/alc/a/a)