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Kapitalmärkte: Entwicklung der Zinsen bleibt der relevanteste Einflussfaktor


17.11.23 15:02
DONNER & REUSCHEL AG

Hamburg (www.anleihencheck.de) - Trotz diverser geopolitischer Unsicherheiten, der schwachen Konjunkturdynamik und offensichtlicher Schwächen des Wirtschaftsstandorts Deutschland, bleibt die Entwicklung der Zinsen für die Kapitalmärkte der relevanteste Einflussfaktor, so Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL.

Nach der historisch beispiellosen Zinswende der Notenbanken seit 2022, die zu einer Preiskorrektur in allen Anlageklassen geführt habe, hätten vor allem die im Sommer steigenden Zinsen bei längeren Laufzeiten für Sorgen vor massiv steigenden Refinanzierungskosten für Unternehmen, Staaten und Private gesorgt.

Die sinkenden Inflationsraten und die global schwache Konjunkturdynamik hätten allerdings zuletzt für nachgebende Renditen bei Staats- und Unternehmensanleihen sowie Hypothekenkrediten gesorgt. Eine Fortsetzung dieses Trends sei für die kommenden Wochen wahrscheinlich und habe für steigende Aktienkurse gesorgt. Zusammen mit der Erwartung, dass spätestens rund um den Jahreswechsel der Zeitpunkt erster Leitzinssenkungen an den Börsen diskutiert werden dürfte, seien auch die Aussichten für Aktien positiv geblieben.

Die Anpassung der Immobilienpreise an das wieder deutlich positive Zinsniveau finde nach wie vor statt. Dabei hätten die Preise für selbstgenutzte Eigenheime im dritten Quartal gemäß vdp-Immobilienpreisindizes wieder stärker nachgegeben. Es sei vorerst von weiter sinkenden Preisen auszugehen, bis die Renditen von Immobilieninvestments die gestiegenen Zinskosten adäquat überkompensieren würden. Ein länger anhaltender Preisverfall sei jedoch weiterhin nicht zu erwarten, weil in Deutschland im Segment Wohnen ein sich derzeit noch verschärfendes Unterangebot bestehe.

Abgesehen von der Bauwirtschaft würden sich weitere Signale einer leichten wirtschaftlichen Belebung der deutschen Konjunktur in den kommenden Monaten zeigen. So hätten sowohl die Im- und Exporte Deutschlands gemäß Kiel Trade Indikator als auch die Konjunkturerwartungen gemäß ZEW-Umfrage zuletzt zugelegt. Die US-Wirtschaft werde sich hingegen künftig abkühlen, worauf neben einer steigenden Arbeitslosenquote und weniger neuen Beschäftigungsverhältnissen zuletzt auch die schwächeren Ergebnisse der ISM-Einkaufsmanagerindices hindeuten würden.

Der erneut deutlich nachgebende HAHB-Immobilienmarktindex lasse zudem eine sinkende Bauproduktion erwarten. Das wahrscheinlichste Szenario sei eine leichte Rezession im nächsten Jahr und eine Wachstumsstabilisierung gegen Ende 2024.

Die US-Notenbank FED dürfte vor diesem Hintergrund im Dezember keine weitere Leitzinserhöhung beschließen. Aufgrund weiter sinkender Inflationsraten und angesichts der im November 2024 anstehenden Präsidentschaftswahlen könne mit ein oder zwei Leitzinssenkungen ab dem kommenden Frühjahr gerechnet werden. Zeitlich eng am Wahltermin liegende Leitzinsveränderungen sollten in der Regel vermieden werden. Sowohl in den USA als auch in der Eurozone würden die Novemberinflationsdaten durch die wieder stärker gefallenen Ölpreise weiter abgemildert.

Das Treffen zwischen Joe Biden und Xi Jinping in San Francisco könne als Zeichen eines beiderseitigen Interesses an einem verstärkten inhaltlichen Austausch gewertet werden. Auch wenn die Taiwanfrage wohl ausgeklammert worden sei, hätten beide Seiten angesichts innenpolitischer Herausforderungen offensichtlich kein Interesse an einer weiteren Eskalation der gegenseitigen Rivalität. Dadurch dürfte die Sorge vor einer weiteren geopolitischen Baustelle vorerst in den Hintergrund rücken. (17.11.2023/alc/a/a)