Inflation lässt nach - deutliche Zinssenkungen 2024?


14.11.23 09:45
Columbia Threadneedle

Frankfurt (www.anleihencheck.de) - Im Vergleich zu den hohen Werten im Frühjahr ist die Inflation in allen wichtigeren Ländern zurückgegangen, so Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle.

Auch die Kerninflation habe sich abgeschwächt - und das alles ohne Rezession. Infolgedessen hätten die großen Zentralbanken ihre Politik auf Eis gelegt und damit ihre aggressive Strategie der Zinserhöhungen beendet - oder zumindest eine Pause eingelegt. Das sei die gute Nachricht. Das Problem: Die Kerninflation sei nach wie vor deutlich über den Zielvorgaben der Zentralbanken, und sie würden auch nicht wissen, ob der jüngste Abwärtstrend anhalten werde. Allerdings erleichtere die nach wie vor angespannte Lage auf den Arbeitsmärkten ihr Dilemma: Die Arbeitslosigkeit liege im Allgemeinen auf oder nahe am Rekordtief.

Das Vereinigte Königreich sei im Rennen um die Disinflation ein deutlicher Nachzügler. Der Abstand dürfte sich in dieser Woche jedoch deutlich verringern: Die britische Gesamtinflation werde voraussichtlich von 6,7 Prozent auf 4,7 Prozent sinken. Die Kerninflation dürfte ebenfalls abklingen, allerdings auf etwa 5,8 Prozent - ein Wert, der immer noch weit über dem Ziel der Bank of England (BoE) liege. Vor diesem Hintergrund bestehe die einzig sinnvolle Entscheidung der BoE darin, die Zinsen entweder zu erhöhen oder sie auf dem aktuellen Niveau zu halten. Dies habe sich auch in der Abstimmung auf der letzten Sitzung widergespiegelt: Sechs Mitglieder hätten für eine Beibehaltung der Zinsen gestimmt, die anderen drei für eine weitere Erhöhung. In einer ähnlichen Lage würden sich auch die meisten anderen Zentralbanken befinden.

Was könnte sich also ändern? Die Experten würden davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit über den Winter zunehme. Ein erster Indikator seien die jüngsten Zahlen aus den USA: Nach dem Tiefstand von 3,4 Prozent im April sei die Arbeitslosenquote hier auf 3,9 Prozent gestiegen. Das sei immer noch eine niedrige Zahl. Sollte dieser Anstieg um einen halben Prozentpunkt jedoch in einem gleitenden Drei-Monats-Durchschnitt realisiert werden, könnte die Sahm-Regel eintreten. Diese habe den Zeitpunkt früherer Rezessionen in den USA genau vorhergesagt - sogar genauer als die viel bekanntere Renditekurvenregel. Die Beschäftigung in den USA nehme zwar immer noch zu, aber das Arbeitskräfteangebot steige schneller, vor allem durch die Einwanderung. Die Experten würden daher erwarten, dass die Sahm-Regel Anfang 2024 zur Geltung komme.

In Europa gebe es kein Äquivalent zur Sahm-Regel. Tatsächlich sei die Arbeitslosigkeit in der Eurozone sogar auf einem Rekordtief. Aber angesichts des stagnierenden Wachstums sei ein Anstieg über den Winter sehr wahrscheinlich. Dies dürfte mit einer deutlich niedrigeren Kerninflation einhergehen: J.P. Morgan schätze, dass die annualisierte Drei-Monats-Rate bis zum Jahresende auf nur 2,4 Prozent fallen werde.

Im Vereinigten Königreich sei die Messung von Löhnen und Arbeitslosigkeit schwierig: Die wichtigsten Daten in diesem Bereich würden vom Office for National Statistics (ONS) stammen, dieses habe die Erhebung jedoch aufgrund einer geringen Rücklaufquote aufgegeben. Glücklicherweise verfüge das ONS über alternative, nach Meinung der Experten sogar viel bessere, Quellen. Und diese würden einen deutlichen Rückgang der Lohninflation zeigen. Wenn sich dies im Einklang mit ihren Erwartungen in weiteren Fortschritten bei der Kerninflation niederschlage, werde die BoE beginnen, ernsthaft über Zinssenkungen nachzudenken. Das wäre eine große Veränderung.

Alles in allem würden die Experten von den führenden Zentralbanken im Jahr 2024 deutliche Zinssenkungen erwarten. Der Fortschritt werde jedoch nicht reibungslos sein. Die dieswöchigen Inflationsdaten aus den USA könnten darauf hindeuten, dass der Rückgang der Kerninflation zum Stillstand gekommen sei. Aber der Trend sei nach Ansicht der Experten eindeutig. Der Krieg gegen die Inflation sei noch nicht gewonnen, aber das Blatt habe sich gewendet. Wenn die Experten richtig lägen, sei das eine gute Nachricht für Anleihen und Aktien gleichermaßen. (14.11.2023/alc/a/a)





hier klicken zur Chartansicht

Aktuelle Kursinformationen mehr >
Kurs Vortag Veränderung Datum/Zeit
3,20 % 3,80 % -0,60 % -15,79% 28.11./22:00
 
ISIN WKN Jahreshoch Jahrestief
8,80 % 3,20 %