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IG-Corporates - stabiler Portfolio-Anker im rauen Zins-Meer


15.11.23 08:30
Fisch Asset Management

Zürich (www.anleihencheck.de) - Die Bewegung der US-Renditekurve hält die Investoren seit Anfang 2022 in Atem, so Matthias Busuttil, Portfolio Manager Global Corporate Bonds bei Fisch Asset Management in Zürich.

Neben den Verlusten an den Anleihemärkten durch die Leitzinserhöhungen hätten Unsicherheiten bei der Inflations- und Konjunkturentwicklung sowie bei der Geldpolitik der Notenbanken zu erhöhter Zinsvolatilität geführt. Der Anstieg der US-Treasury-Renditen habe sich 2023 angesichts der hartnäckigen Inflation und einer überraschend robusten Konjunktur fortgesetzt. Zwar seien die Notenbanken weiter im Straffungsmodus, aber Anleiheninvestoren sollten sich angesichts der deutlich höheren Ertragserwartungen erneut mit dem verbesserten Risiko/Rendite-Profil der Anlageklasse auseinandersetzen, insbesondere weil man das Ende des Zinserhöhungszyklus erreiche.

Die Turbulenzen im Bankensektor hätten im März zu temporär tieferen Zinsen geführt. Eine darauffolgende "Flucht in Qualität" habe die zehnjährigen US-Staatsanleiherenditen auf ein Jahrestief von 3,3% gedrückt. Anschließend habe angesichts des zunehmenden Konjunkturoptimismus über den Sommer eine erneute Aufwärtsbewegung eingesetzt. Nach der FED-Sitzung im September habe sich der Aufwärtstrend mit der Verbreitung des "higher for longer"-Narrativs nochmals beschleunigt. Trotz einer Reihe negativer Faktoren habe die Zehn-Jahresrendite im Oktober die Schwelle von 5,0% durchbrochen und die Zinskurve sei angesichts sich kaum bewegender Zinsen am kurzen Ende - die sensibler auf die Geldpolitik reagieren - entsprechend steiler geworden.

Zwar habe sich diese Bewegung im November teilweise umgekehrt, dennoch würden die Experten erwarten, dass die Renditekurve wohl noch steiler werden dürfte: Das US-Treasury müsse die zunehmende Staatsverschuldung mit weiteren Emissionen finanzieren, zugleich verkürze die FED ihre Bilanz durch Quantitative Tightening. In dieser Phase des Wirtschaftszyklus müsste eine nachhaltige Rally in Treasuries eigentlich vom kurzen Laufzeitenende ausgehen, basierend auf einer Umkehr der aktuellen Geldpolitik. Noch aber würden eindeutige Anzeichen für eine Rezession in den USA fehlen und die Komponenten der Kerninflation seien unverändert solide, was diese Hypothese derzeit unwahrscheinlich mache.

Die restriktive Geldpolitik beginne nun zu wirken und für den Privatsektor sei die rückläufige Kreditschöpfung ein wesentlicher Faktor: Höhere Finanzierungskosten würden Investitionen verzögern oder beschränken, zudem rechne man aufgrund von Margendruck mit geringerer Profitabilität. Doch diese Entwicklung folge auf eine Marktphase, in der die Unternehmen sich nach der Pandemie dank einer lockeren Geldpolitik sehr langfristig zu niedrigen Zinssätzen hätten refinanzieren können. In dieser Zeit habe zudem eine starke Wirtschaftserholung geherrscht, die die Umsätze und Gewinnmargen deutlich über das Vor-Pandemie-Niveau gehoben habe.

Dank dieser beiden Faktoren seien Unternehmen gut gerüstet, um eine wirtschaftliche Durststrecke eine Zeit lang problemlos durchzustehen. Vor diesem Hintergrund sollten Investment-Grade (IG)-Anleihen besser abschneiden, da höhere Finanzierungskosten für IG-Emittenten angesichts ihrer generell niedrigeren Verschuldung besser verkraftbar seien. Betrachte man die Bewertungen, zeige ein Blick auf die Risikoprämien, dass vor allem IG-Anleihen in den Industrieländern fair bewertet sein dürften.

Auch wenn diese Prämien aufgrund der makroökonomischen Unsicherheiten etwas ansteigen könnten, so würden hochwertige Unternehmensanleihen von markttechnischer Unterstützung profitieren: Die Neuemissionen dürften im vierten Quartal deutlich zurückgehen, während man gleichzeitig eine höhere Investorennachfrage nach hochqualitativen Anleihen sehe. Aufgrund der sehr attraktiven Gesamtrenditen reagiere die Nachfrage auch weniger empfindlich auf negative Zinsbewegungen. Daher dürfte jede klare Spread-Ausweitung auf starke Nachfrage treffen und die Wirkung somit limitiert sein.

Bei höher verschuldeten Emittenten dürften die Auswirkungen der Zinsentwicklung deutlicher zutage treten. High-Yield (HY)-Emittenten müssten höhere Kosten für (Re-)Finanzierungen in Kauf nehmen, vor allem in den schwächsten Ratingsegmenten. Dadurch steige das Risiko von Rating-Herabstufungen vor allem bei tiefen Single-B-Ratings. Zudem seien die Zeiten sehr tiefer Ausfallquoten vorbei und dürften sich 2024 wieder dem langfristigen Mittelwert annähern. Die kürzliche Spread-Ausweitung reflektiere diese Risiken und damit hätten HY-Anleihen weiter ihren Platz in einem Anleihenportfolio.

Insgesamt habe sich die Qualität des HY-Marktes in den letzten Jahren aufgrund der verbesserten Ratingzusammensetzung erhöht. Zudem sei der Verschuldungsgrad aktuell niedrig. Die Anleger sollten den zunehmenden Druck auf die Kreditbedingungen dennoch im Auge behalten, weil die Bedeutung der individuellen Emittentenauswahl damit weiter zunehme.

Es spreche in der aktuellen Phase viel für IG-Corporates: Sie böten derzeit im langfristigen Vergleich relativ hohe Renditen, wodurch die Anleger mit einem soliden Einkommenspuffer durch die laufende Rendite gegen zukünftige Volatilität gewappnet seien. Verlustrisiken aus höheren Kreditprämien würden sich durch die Wahl qualitativ hochwertiger Emittenten mindern lassen. Zudem seien die USD-Hedging-Kosten rückläufig. Dies und die erneut steilere US-Renditekurve würden zur Attraktivität von USD-Anleihen für Anleger in der Eurozone beitragen. Sobald sich der Zinserhöhungstrend drehe, sollte die Anlageklasse zusätzlich von starken Rückenwinden profitieren können. (15.11.2023/alc/a/a)