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Geopolitik rückt für Investoren in den Vordergrund
16.11.23 11:37
Union Investment
Frankfurt (www.anleihencheck.de) - Der sich verschärfende Großmachtwettbewerb zwischen den USA und China hat die Ära der weltumspannenden wirtschaftlichen Kooperation beendet, so die Experten von Union Investment.
Staaten würden aus sicherheitsstrategischen Gründen zunehmend in Standortentscheidungen und Lieferketten von Unternehmen eingreifen. Investoren müssten deshalb die Geopolitik wieder stärker in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen, wie eine Studie von Union Investment zeige.
"Die Ära der Globalisierung war nur ein Intermezzo von etwa 30 Jahren. Die Geopolitik dominiert wieder die Wirtschaft. An die Stelle der ökonomischen Effizienz tritt mehr und mehr das Sicherheitsdenken und staatliche Interessen stehen über Unternehmensinteressen", sage Studienautorin Sandra Ebner, Senior Economist bei Union Investment. Der Grund: China erhebe Anspruch auf eine globale Führungsrolle und fordert damit die USA heraus. Weltweit müssten sich sowohl Staaten als auch Unternehmen in diesem Konflikt positionieren. Abhängigkeiten würden auf den Prüfstand gestellt und Maßnahmen zur Sicherung des eigenen Wohlstands ergriffen. Das Ergebnis sei eine neue, multipolare Weltordnung.
Für Anleger nehme das Agieren von Staaten damit einen größeren Teil der eigenen Analyse ein. "Investoren müssen zum einen die Geopolitik, zum anderen staatliche Instrumente wie Industriepolitik, Exportbeschränkungen und Investitionskontrollen viel stärker im Blick haben. Denn Änderungen dieser Rahmenbedingungen können Geschäftsmodelle massiv beeinflussen", erkläre Michael Herzum, ebenfalls Studienautor und Leiter Makro & Strategy bei Union Investment. Seine Empfehlung für Investoren: "Wer den Großmachtwettbewerb als Faktor in seinem Chancen- und Risikomanagement verankert, kann mögliche Gewinner und Verlierer schneller identifizieren und dies im Portfolio entsprechend umsetzen."
Taiwan sei die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells
Ein zentraler Punkt des neuen Großmachtwettbewerbs sei die Taiwan-Frage. Hier würden territoriale Ansprüche Chinas auf wirtschaftliche und sicherheitsstrategische Interessen der westlichen Welt prallen. Denn aus Taiwan kämen heute neun von zehn High-Tech-Chips, die global Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und autonomes Fahren antreiben würden.
Angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtungen habe lange Zeit die Erwartung vorgeherrscht, dass China und die USA den sich zuspitzenden Wettbewerb vor allem auf wirtschaftlichem und technologischem Terrain austragen würden. Der russische Einmarsch in die Ukraine habe jedoch gezeigt, dass trotz enger wirtschaftlicher Beziehungen eine militärische Eskalation möglich sei - die immensen wirtschaftlichen Kosten würden dabei in Kauf genommen.
"Zwar sehen wir derzeit kein akutes Risiko für einen militärischen Konflikt um Taiwan. Dennoch müssen Investoren jederzeit vorbereitet sein, wie der Krieg in der Ukraine zeigt", sage Sandra Ebner. Denn ein Konflikt um Taiwan hätte verheerende Folgen für die Weltwirtschaft: Der Handel zwischen China und dem Westen würde durch wechselseitige Sanktionen ausgesetzt. Taiwan könnte keine Halbleiter mehr liefern, was die Produktion vieler Güter auf der ganzen Welt lahmlegen würde. "Taiwan ist die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells", so die Studienautoren.
Deutschland zähle im Großmachtwettbewerb zu den Verlierern
Letztlich gehe es aber nicht nur um Hochleistungschips. Einen Hinweis darauf, wer im geostrategischen Wettlauf wirtschaftlich besser abschneiden dürfte, gebe das Beispiel Elektroauto. Hier kämen alle strategischen Zukunftstechnologien und kritischen Rohstoffe zusammen. Eine Erkenntnis aus der Studie: Die USA würden als Investitionsstandort an Attraktivität gewinnen. Die von staatlicher Seite aufgelegten enormen Investitionsprogramme würden die richtigen Anreize setzen und damit auch ausländische Direktinvestoren anziehen, gerade in strategisch wichtigen Bereichen wie der Halbleiter- und Batterieproduktion. Für Investitionen in China würden die Risiken hingegen deutlich steigen. Das treffe insbesondere die im Reich der Mitte weiterhin stark engagierten deutschen Autobauer. "Neben der Gefahr der Verdrängung in China wächst für deutsche Autokonzerne auch die Konkurrenz auf dem heimischen Markt. Deutschland gehört aktuell neben China zu den klaren Verlierern des Großmachtwettbewerbs", ordne Herzum die Lage ein.
Der indopazifische Raum sei hingegen ein klarer Gewinner. Die Region sei im Bereich der Zukunftstechnologien deutlich besser aufgestellt als Europa und profitiere gleichzeitig von der Nachbarschaft zu China. Viele Unternehmen würden sich für den Ernstfall wappnen, indem sie außerhalb Chinas eine weitere Produktionsbasis in der Region aufbauen würden.
Was bedeute das für Investoren? "In einem globalen Aktienportfolio würden wir den China-Anteil deutlich senken und dafür die Allokation in asiatischen Schwellenländern sowie Japan, Australien und Neuseeland erhöhen. Aus dem Euroraum würden wir teilweise in europäische Länder außerhalb des Währungsraums umschichten", erkläre Herzum.
Insbesondere die skandinavischen Länder seien technologisch gut aufgestellt und würden gleichzeitig über wichtige Rohstoffvorkommen verfügen. Auch könne Osteuropa als günstiger Zugang zum europäischen Markt für Investitionen aus Ost und West attraktiver werden. Der ohnehin hohe US-Anteil im Portfolio bliebe zunächst unverändert. Die USA würden zwar als Investitionsstandort gewinnen. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass ausschließlich US-Unternehmen profitieren würden. Global agierende Unternehmen aus Deutschland könnten ebenfalls am Boom in anderen Regionen teilhaben. (16.11.2023/alc/a/a)
Staaten würden aus sicherheitsstrategischen Gründen zunehmend in Standortentscheidungen und Lieferketten von Unternehmen eingreifen. Investoren müssten deshalb die Geopolitik wieder stärker in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen, wie eine Studie von Union Investment zeige.
"Die Ära der Globalisierung war nur ein Intermezzo von etwa 30 Jahren. Die Geopolitik dominiert wieder die Wirtschaft. An die Stelle der ökonomischen Effizienz tritt mehr und mehr das Sicherheitsdenken und staatliche Interessen stehen über Unternehmensinteressen", sage Studienautorin Sandra Ebner, Senior Economist bei Union Investment. Der Grund: China erhebe Anspruch auf eine globale Führungsrolle und fordert damit die USA heraus. Weltweit müssten sich sowohl Staaten als auch Unternehmen in diesem Konflikt positionieren. Abhängigkeiten würden auf den Prüfstand gestellt und Maßnahmen zur Sicherung des eigenen Wohlstands ergriffen. Das Ergebnis sei eine neue, multipolare Weltordnung.
Für Anleger nehme das Agieren von Staaten damit einen größeren Teil der eigenen Analyse ein. "Investoren müssen zum einen die Geopolitik, zum anderen staatliche Instrumente wie Industriepolitik, Exportbeschränkungen und Investitionskontrollen viel stärker im Blick haben. Denn Änderungen dieser Rahmenbedingungen können Geschäftsmodelle massiv beeinflussen", erkläre Michael Herzum, ebenfalls Studienautor und Leiter Makro & Strategy bei Union Investment. Seine Empfehlung für Investoren: "Wer den Großmachtwettbewerb als Faktor in seinem Chancen- und Risikomanagement verankert, kann mögliche Gewinner und Verlierer schneller identifizieren und dies im Portfolio entsprechend umsetzen."
Taiwan sei die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells
Ein zentraler Punkt des neuen Großmachtwettbewerbs sei die Taiwan-Frage. Hier würden territoriale Ansprüche Chinas auf wirtschaftliche und sicherheitsstrategische Interessen der westlichen Welt prallen. Denn aus Taiwan kämen heute neun von zehn High-Tech-Chips, die global Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und autonomes Fahren antreiben würden.
"Zwar sehen wir derzeit kein akutes Risiko für einen militärischen Konflikt um Taiwan. Dennoch müssen Investoren jederzeit vorbereitet sein, wie der Krieg in der Ukraine zeigt", sage Sandra Ebner. Denn ein Konflikt um Taiwan hätte verheerende Folgen für die Weltwirtschaft: Der Handel zwischen China und dem Westen würde durch wechselseitige Sanktionen ausgesetzt. Taiwan könnte keine Halbleiter mehr liefern, was die Produktion vieler Güter auf der ganzen Welt lahmlegen würde. "Taiwan ist die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells", so die Studienautoren.
Deutschland zähle im Großmachtwettbewerb zu den Verlierern
Letztlich gehe es aber nicht nur um Hochleistungschips. Einen Hinweis darauf, wer im geostrategischen Wettlauf wirtschaftlich besser abschneiden dürfte, gebe das Beispiel Elektroauto. Hier kämen alle strategischen Zukunftstechnologien und kritischen Rohstoffe zusammen. Eine Erkenntnis aus der Studie: Die USA würden als Investitionsstandort an Attraktivität gewinnen. Die von staatlicher Seite aufgelegten enormen Investitionsprogramme würden die richtigen Anreize setzen und damit auch ausländische Direktinvestoren anziehen, gerade in strategisch wichtigen Bereichen wie der Halbleiter- und Batterieproduktion. Für Investitionen in China würden die Risiken hingegen deutlich steigen. Das treffe insbesondere die im Reich der Mitte weiterhin stark engagierten deutschen Autobauer. "Neben der Gefahr der Verdrängung in China wächst für deutsche Autokonzerne auch die Konkurrenz auf dem heimischen Markt. Deutschland gehört aktuell neben China zu den klaren Verlierern des Großmachtwettbewerbs", ordne Herzum die Lage ein.
Der indopazifische Raum sei hingegen ein klarer Gewinner. Die Region sei im Bereich der Zukunftstechnologien deutlich besser aufgestellt als Europa und profitiere gleichzeitig von der Nachbarschaft zu China. Viele Unternehmen würden sich für den Ernstfall wappnen, indem sie außerhalb Chinas eine weitere Produktionsbasis in der Region aufbauen würden.
Was bedeute das für Investoren? "In einem globalen Aktienportfolio würden wir den China-Anteil deutlich senken und dafür die Allokation in asiatischen Schwellenländern sowie Japan, Australien und Neuseeland erhöhen. Aus dem Euroraum würden wir teilweise in europäische Länder außerhalb des Währungsraums umschichten", erkläre Herzum.
Insbesondere die skandinavischen Länder seien technologisch gut aufgestellt und würden gleichzeitig über wichtige Rohstoffvorkommen verfügen. Auch könne Osteuropa als günstiger Zugang zum europäischen Markt für Investitionen aus Ost und West attraktiver werden. Der ohnehin hohe US-Anteil im Portfolio bliebe zunächst unverändert. Die USA würden zwar als Investitionsstandort gewinnen. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass ausschließlich US-Unternehmen profitieren würden. Global agierende Unternehmen aus Deutschland könnten ebenfalls am Boom in anderen Regionen teilhaben. (16.11.2023/alc/a/a)