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Geldpolitik: Auf Sicht fahren


16.03.23 13:31
Hamburg Commercial Bank

Hamburg (www.anleihencheck.de) - Die Krise bei den US-Regionalbanken und das Überschwappen der Turbulenzen nach Europa hat eine klassische Flucht in Sicherheit ausgelöst, so die Analysten der Hamburg Commercial Bank.

Im Ergebnis seien die Kurse der US-Staatsanleihen und der Bunds gestiegen und die Renditen gefallen. Zehnjährige T-Notes würden jetzt nur noch bei 3,51% rentieren, nachdem sie kürzlich noch die Marke von 4,00% überschritten hätten. Und die Bunds mit der gleichen Laufzeit würden nur noch bei 2,28% rentieren, Anfang letzter Woche habe der Wert noch bei 2,70% gelegen. Noch ausgeprägter sei die Reaktion am kurzen Ende. So seien die zweijährigen T-Notes Renditen nach dem Bekanntwerden der Pleiten in den USA um über 100 BP auf 4,02% gefallen und die entsprechenden Bunds um knapp 100 BP auf 2,60%. Die Terminmärkte wiederum würden anzeigen, dass die Anleger nur noch eine Zinsanhebung in den USA erwarten und dann von Zinssenkungen um insgesamt 100 BP bis Anfang 2024 ausgehen würden. Für die EZB hätten die Märkte vor kurzem noch antizipiert, die Notenbank werde ihren Einlagenzinssatz auf über 4% schleusen, jetzt halte man 3,25% für die realistischere Variante.

In diesem Umfeld werde heute die EZB ihre Zinsentscheidung treffen. Vermutlich werde sie an ihrem "Versprechen" festhalten und die Leitzinsen um 50 BP anheben. Der Einlagenzinssatz läge dann bei 3,0%, der Hauptrefinanzierungssatz bei 3,50%. Ein derartiger Schritt wäre angesichts der weiterhin steigenden Kerninflationsrate und der hohen Lohnforderungen, die in Deutschland für Aufsehen sorgen würden und mit gewissen Abstrichen bislang auch durchgesetzt würden, gerechtfertigt. Da das Wort "Bankenkrise" aber wieder die Runde mache, könnte die Entscheidung innerhalb des EZB-Rats durchaus umstritten sein. Sicher scheine zu sein, dass die EZB sich nach der heutigen Entscheidung nicht festlegen werde, wie der weitere geldpolitische Kurs sei, auf Sicht fahren sei angesagt. Das gelte auch für den Abbau des APP-Anleiheportfolios, dessen Abbaupfad nur von März bis Juni bekannt gegeben worden sei. Was danach passiere, sei unklar. Vermutlich würden die Experten der Zentralbank ihre vorbereiteten neuen Prognosen nicht kurzfristig wegen des Finanzbebens in den USA geändert haben. Die Kernrate der Inflation dürfte für das laufende Jahr höher eingeschätzt werden. Die Dezember-Prognose habe für den Jahresdurchschnitt bei 4,2% gelegen.

Kommende Woche sei die US-Notenbank an der Reihe. Die Fed Fund Rate liege derzeit in der Zielbandbreite von 4,5 bis 4,75%. Bei seiner letzten Rede habe Notenbankchef Jerome Powell angedeutet, dass eine Leitzinsanhebung um 50 BP angemessen sein könnte. Das sollte jetzt vom Tisch sein. Die Analysten seien davon ausgegangen, dass die FED ihren Leitzins am 22.03. um 25 BP anhebe und einen weiteren Zinsschritt in dieser Größenordnung am 3. Mai durchführe. Der zweite Zinsschritt sei nunmehr mit mehr vielen Fragezeichen behaftet. Wenn die nächsten Tage genauso turbulent ausfallen würden wie die vergangenen Tage dieser Woche, könnte sogar die erwartete Zinserhöhung am kommenden Mittwoch gekippt werden. Die US-Inflationsdaten würden in jedem Fall anzeigen, dass die Kernrate der Inflation sich kaum zurückentwickelt habe (5,53%) und sich von dieser Seite eine Zinspause für die FED nicht aufdränge. Auch die Arbeitsmarktdaten seien wieder sehr robust gewesen. Zwar sei die Arbeitslosenrate von 3,4% auf 3,6% gestiegen. Dies sei aber vor allem auf eine höhere Partizipationsrate am Arbeitsmarkt zurückzuführen. Die Beschäftigung sei um 311.000 Personen gestiegen, womit die Erwartungen erneut übertroffen worden seien. Es sei nur der Lohnanstieg von 0,2% MoM, aus dem Zinssenkungsbefürworter eine gewisse Bestätigung ziehen könnten.

Datenseitig stünden in den nächsten Tagen vor allem die PMI-Schnellschätzungen am 24.03. unter anderem für die Eurozone, Deutschland und Frankreich für den laufenden Monat an. Die entsprechenden Umfragen würden bereits unter dem Eindruck der Finanzmarktturbulenzen stehen und dürften dies zumindest teilweise widerspiegeln. Die deutschen Auftragsbestände würden morgen (17.03., Januar) publiziert. Sie seien in den vergangenen Monaten von einem sehr hohen Niveau aus gefallen. Für den gleichen Tag seien noch Baugenehmigungen in Deutschland zu erwarten (17.03., ebenfalls Januar). Hier habe der letzte PMI für diesen Sektor eine leichte Aufwärtstendenz gezeigt. Bauddaten würden auch aus den USA kommen (23.03., Hausverkäufe im Februar). (16.03.2023/alc/a/a)