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Nach der FED-Sitzung: War das der Zinsgipfel?


02.11.23 13:00
FONDS professionell

Wien (www.anleihencheck.de) - Im Kampf gegen die Inflation schraubte die US-Notenbank die Leitzinsen auf den höchsten Stand seit 22 Jahren, so die Experten von "FONDS professionell".

Auf ihrer November-Sitzung habe sie die Sätze nun unverändert gelassen. Bleibe es dabei? Und wann sei eine Lockerung realistisch? Ausgewählte Einschätzungen aus der Asset-Management-Branche.

Die US-Notenbank Federal Reserve (FED) habe ihre Leitzinsen am Mittwochabend (1.11.) wie von den meisten Ökonomen erwartet bei 5,25 bis 5,50 Prozent belassen. Der Offenmarktausschuss (FOMC) um FED-Chef Jerome Powell habe dabei zwischen zwei Polen abwägen müssen: Die robuste US-Konjunktur und die nach wie vor hohe Inflation würden für eine weiterhin restriktive Geldpolitik sprechen, die sich deutlich verschlechternden Finanzierungsbedingungen dagegen.

Die US-Regierung habe jüngst eine Schätzung vorgelegt, nach der die Wirtschaft im dritten Quartal auf Jahressicht um stolze 4,9 Prozent gewachsen sei. Ökonomen würden diesen Sprung jedoch größtenteils auf Einmaleffekte zurückführen. Auch der Arbeitsmarkt halte sich gut, und die Inflation liege nach wie vor über dem Zielwert der FED. Das spreche für eine weiterhin restriktive Geldpolitik.

Dass Powell und seine Kollegen die Leitzinsen dennoch nicht angehoben hätten, habe im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen möchten die Notenbanker abwarten, welche konjunkturellen Bremsspuren die vergangenen Zinserhöhungen hinterlassen würden. Zum anderen wollten sie weiter beobachten, ob die "Straffung" mit Blick auf die finanziellen Rahmenbedingungen von Dauer sei. Jüngst sei die Rendite von US-Staatsanleihen deutlich gestiegen, was auch Folgen für die Refinanzierung der Unternehmen habe.

Was folge aus dem jüngsten Zinsentscheid von FED-Chef Jerome Powell und seinen Kollegen?

Charles Tan, Co-Anlagechef für Anleihen bei American Century Investments
"Auch wenn die FED ihre künftigen Optionen offengelassen hat, glauben wir, dass der Straffungszyklus der Fed wahrscheinlich vorüber ist. Da die Renditen von Staatsanleihen in letzter Zeit auf 16-Jahres-Hochs gestiegen sind, trägt der Anleihemarkt zusammen mit der Fed seinen Teil dazu bei, die finanziellen Bedingungen zu straffen. Es dauert eine gewisse Zeit - im Durchschnitt 18 Monate - bis die Straffung der FED die Wirtschaft und die Inflation verlangsamt. Wir glauben, dass diese Zeit näher rückt und dass die kumulativen Auswirkungen höherer Zinssätze und Verbraucherpreise die Wirtschaft letztlich in eine Rezession stürzen werden."

Tiffany Wilding, Ökonomin bei Pimco
"Während das Wachstum im dritten Quartal 2023 mit fünf Prozent unglaublich stark war, vermuten wir für das vierte Quartal 2023 eine deutliche Verlangsamung des Wachstums, was den gestrigen Äußerungen Powells zufolge nicht für eine weitere Straffung ausreichen wird. Stattdessen wird der FOMC die konjunkturelle Entwicklung abwarten und beobachten, wie sich die Wirtschaft Anfang des nächsten Jahres angesichts der jüngsten Verschärfung der finanziellen Bedingungen und der höheren Laufzeitprämien entwickelt. Vereinfacht ausgedrückt wägt die Zentralbank die robusten Wirtschaftsdaten der letzten Monate gegen weitere Straffungen der finanziellen Bedingungen ab. Ausgehend von der FOMC-Sitzung im November scheinen die strengeren finanziellen Bedingungen für die Fed-Vertreter vorerst der gewichtigere Aspekt zu sein."

Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust
"Die Entscheidung der FED ist eine angemessene Abwägung der Unsicherheiten und Risiken, mit denen die Notenbank konfrontiert ist. Auf der einen Seite besteht das Risiko, mit einer zu straffen Politik eine harte Landung der Wirtschaft herbeizuführen, während eine zu laxe Politik die Inflation wiederbelebt und damit zu einem späteren Zeitpunkt eine Konjunkturkrise mit noch restriktiverer Geldpolitik erzwingt. Die FED muss viele Zeitverzögerungen bei dem Einsatz ihrer Politik berücksichtigen und tut gut daran, in dem volatilen Umfeld eine ruhige Hand zu bewahren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Daten auch im Dezember keine Zinserhöhung nahelegen."

Christian Scherrmann, US-Volkswirt der DWS
"Alles in allem scheint es, dass FED-Chef Powell und seine Kollegen im Lager der Falken bleiben, aber nicht wirklich falkenhaft handeln. Nach dem fulminanten Wachstum im dritten Quartal und der Unsicherheit, die vor uns liegt, ist dies sicherlich eine kluge Entscheidung. Was die Verschärfung der finanziellen Bedingungen durch die Märkte betrifft, hat uns Powell im Wesentlichen die Hinweise gegeben, die wir erwartet haben: Wenn die Märkte die finanziellen Rahmenbedingungen straff halten - also nicht mit Zinssenkungen liebäugeln -, kann die FED vorsichtig weiter nichts tun und abwarten, wie sich die vergangenen Zinserhöhungen auf die Wirtschaft auswirken. Sobald sich die Bedingungen jedoch entspannen, wäre eine weitere Zinserhöhung sicherlich realistisch."

Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender von Mainsky Asset Management
"Jerome Powell hat zwar wie erwartet die Tür für eine weitere Zinserhöhung im Dezember offengelassen, doch sie wird geschlossen bleiben. Der nächste Schritt der FED dürfte eine Senkung der Leitzinsen sein, und zwar spätestens im Sommer kommenden Jahres, wenn die US-Wirtschaft in eine Rezession gerutscht ist. Powell wies explizit auf die Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen für Haushalte und Unternehmen durch die gestiegenen Zinsen hin. Der Anleihemarkt hat der FED im Kampf gegen die Inflation somit Arbeit abgenommen und dafür gesorgt, dass wir im Juli bereits das Ende des Zinserhöhungszyklus in den USA gesehen haben dürften."

Thomas Altmann, Portfoliomanagement bei QC Partners
"Im Vergleich zum vorhergehenden Statement betont die FED die verschärften Finanzierungsbedingungen jetzt noch stärker. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass sie die Auswirkungen ihrer Zinsanhebungen sieht und mit diesen sehr zufrieden ist. Diese Änderung könnte ein kleiner Hinweis darauf sein, dass die FED mit ihren Anhebungen am Ende angekommen ist." (02.11.2023/alc/a/a)