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FED: Schwierige Entscheidung
17.03.23 15:03
Helaba
Frankfurt (www.anleihencheck.de) - In wenigen Tagen haben sich die Erwartungen für die FOMC-Sitzung im März deutlich geändert, so die Analysten der Helaba.
Schien zunächst ein "50er Schritt" wahrscheinlich, sei jetzt die Frage: 25 oder gar nichts?
Der Chairman der FED, Jerome Powell, verdiene rund 200.000 Dollar im Jahr. Angesichts der Verantwortung, eine große Organisation zu leiten, sie gegenüber dem Kongress und der Öffentlichkeit zu vertreten und eine Geldpolitik mitzugestalten, die weltweit wirke, sei das eher bescheiden. Vor allem in Situationen wie jetzt würden wohl nur wenige gern mit ihm tauschen wollen.
Bei seiner Anhörung vor den Kongressausschüssen am 7./8. März habe der FED-Chef signalisiert, dass die positiven Konjunkturdaten und die unverändert unangenehm hohe Inflation eine weitere geldpolitische Straffung erforderlich machen würden. Er habe explizit auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die FED wieder zu 50er Schritten zurückkehren könnte, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Da habe er noch nicht gewusst, dass nur wenige Tage später Schieflagen im Bankensystem das Bild deutlich verändern würden.
Noch sei unklar, ob es sich hierbei um Einzelfälle von Missmanagement handele, oder um die Spitze eines Eisbergs systemischer Probleme. Aufgrund der zentralen Rolle von Psychologie und Vertrauen im Finanzsystem könnten aber selbst Einzelfälle zu einer allgemeinen Verunsicherung und Krise führen.
Neben der als Auslöser fungierenden Silicon Valley Bank (SVB) sei am Wochenende vom 11./12. März auch die New Yorker Signature Bank abgewickelt worden. Hierbei habe die Aufsicht von der für die Einlagenversicherung üblichen Obergrenze von 250.000 Dollar abgewichen - die Einleger würden also vollständig geschützt. Zusätzlich habe die FED als stützende Maßnahme für das Bankensystem insgesamt eine neue Fazilität geschaffen. Sie erlaube es Banken, sich für ein Jahr Liquidität zu beschaffen und zwar für Wertpapiere, die zum Nenn- und nicht zum Marktwert eingereicht würden. Dies wirke dem Problem entgegen, dass im Zuge des Zinsanstiegs viele Anleihen in den Büchern der Banken deutlich an Wert verloren hätten.
Im weiteren Wochenverlauf habe die Schweizer Notenbank SNB die angeschlagene Großbank Credit Suisse gestützt, die von einer ganz anderen Größenordnung sei als die zuvor betroffenen Institute. Schließlich habe die kalifornische Regionalbank First Republic Liquiditätshilfe erhalten, diesmal nicht von der Notenbank, sondern von einem Konsortium aus US-Großbanken. Die Nachfrage nach Liquidität des gesamten Bankensystems habe in der abgelaufenen Woche sprunghaft zugenommen.
Von den Verwerfungen an den Finanzmärkten abgesehen, spreche der Datenfluss aber weiter für eine fortgesetzte Straffung der US-Geldpolitik: Die Erstanträge lägen wieder unter 200.000, die Beschäftigung sei im letzten Monat um über 300.000 gestiegen, die Baudaten für den Februar hätten einen überraschend kräftigen Sprung nach oben gezeigt und der Verbraucherpreisindex am 14. März habe das Bild einer Teuerung gezeichnet, die sich in den Dienstleistungskomponenten zu verfestigen drohe.
Nach den heftigen Ausschlägen der zurückliegenden Woche würden die FED-Funds-Futures zeigen, dass die Anleger mehrheitlich noch mit einer Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte rechnen würden - und zwar wahrscheinlich auf der Sitzung am 22. März. Die implizite Rendite des April-Kontrakts liege bei 4,78%, d.h. 15 Basispunkte über dem aktuellen Mittelwert des Zielkorridors von 4,50% bis 4,75%. Die Analysten würden davon ausgehen, dass die FED diesen Zinsschritt liefern werde, nicht zuletzt um Spekulationen über weitergehende Probleme im Finanzsystem ("Die FED weiß mehr") entgegenzuwirken. Eine weitere Eskalation in den kommenden Tagen könnte dies naturgemäß ändern.
Die relevantere Frage als was am 22. März passiere, sei aber, wie es danach weitergehe. Aktuell preise der Future-Markt eine noch schnellere und deutlichere Wende der FED ein als zuvor. Schon für den Sommer werde hier mit der ersten Lockerung gerechnet.
Die Konjunkturdaten würden hingegen eine weitere Leitzinserhöhung wahrscheinlich machen. So würden die Analysten ihre US-Prognosen anpassen: Erstens sei die konjunkturelle Dynamik im ersten Quartal unerwartet gut ausgefallen. Die von ihnen bisher prognostizierte Kontraktion der US-Wirtschaft lasse wohl länger auf sich warten. Aufgeschoben sei jedoch nicht aufgehoben. Sie würden weiter mit einer milden Rezession in diesem Jahr rechnen. Diese verschiebe sich aber nach hinten, was Auswirkungen auf die jahresdurchschnittlichen Wachstumsraten habe. Für 2023 stehe nun 1% (bisher: 0,5%) und für 2024 1,5% (bisher: 1,8%) zu Buche. Zweitens werde die Teuerung 2023 und 2024 wohl höher ausfallen als bisher gedacht (4% und 2,8%, statt 3,7% und 2,5%).
In den Projektionen würden die FOMC-Mitglieder am 22. März Farbe bekennen müssen: Was sei aus ihrer Sicht der wahrscheinlichste Leitzinspfad? Dies sei diesmal besonders schwierig, weil hier ja nur das Basisszenario abgebildet werde - die "tail risks" würden nicht auftauchen. Die Analysten würden davon ausgehen, dass die FOMC-Mitglieder das Risiko eingehen würden, die Märkte zu enttäuschen und mindestens bis ins Jahr 2024 stabile Leitzinsen, vielleicht sogar einen über die Werte der Dezember-Projektion hinausgehenden Zinsgipfel in Aussicht stellen würden.
Die angespannte Lage im Finanzsystem bei gleichzeitig ungelöstem Inflationsproblem bringe erhebliche Unsicherheit für den geldpolitischen Ausblick. Wenn die Unruhe anhalte bzw. noch zunehme, würde die Notenbank aus Sicht der Analysten zunächst von weiteren Zinserhöhungen absehen, die Hürde für kurzfristige Lockerungen hänge aber sehr hoch. Wenn sich die Situation jedoch zeitnah entspannen sollte und die FED sich wieder auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren könne, sei im März wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange bei den Zinserhöhungen erreicht.
Aus Sicht der Analysten dominiere daher das Risiko, dass der Markt erneut auf der Seite höherer Leitzinsen überrascht werde. Wegen der stark gestiegenen Unsicherheit würden sie aber Abstand davon nehmen, ihre Prognose jetzt entsprechend zu ändern. (17.03.2023/alc/a/a)
Schien zunächst ein "50er Schritt" wahrscheinlich, sei jetzt die Frage: 25 oder gar nichts?
Der Chairman der FED, Jerome Powell, verdiene rund 200.000 Dollar im Jahr. Angesichts der Verantwortung, eine große Organisation zu leiten, sie gegenüber dem Kongress und der Öffentlichkeit zu vertreten und eine Geldpolitik mitzugestalten, die weltweit wirke, sei das eher bescheiden. Vor allem in Situationen wie jetzt würden wohl nur wenige gern mit ihm tauschen wollen.
Bei seiner Anhörung vor den Kongressausschüssen am 7./8. März habe der FED-Chef signalisiert, dass die positiven Konjunkturdaten und die unverändert unangenehm hohe Inflation eine weitere geldpolitische Straffung erforderlich machen würden. Er habe explizit auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die FED wieder zu 50er Schritten zurückkehren könnte, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Da habe er noch nicht gewusst, dass nur wenige Tage später Schieflagen im Bankensystem das Bild deutlich verändern würden.
Noch sei unklar, ob es sich hierbei um Einzelfälle von Missmanagement handele, oder um die Spitze eines Eisbergs systemischer Probleme. Aufgrund der zentralen Rolle von Psychologie und Vertrauen im Finanzsystem könnten aber selbst Einzelfälle zu einer allgemeinen Verunsicherung und Krise führen.
Neben der als Auslöser fungierenden Silicon Valley Bank (SVB) sei am Wochenende vom 11./12. März auch die New Yorker Signature Bank abgewickelt worden. Hierbei habe die Aufsicht von der für die Einlagenversicherung üblichen Obergrenze von 250.000 Dollar abgewichen - die Einleger würden also vollständig geschützt. Zusätzlich habe die FED als stützende Maßnahme für das Bankensystem insgesamt eine neue Fazilität geschaffen. Sie erlaube es Banken, sich für ein Jahr Liquidität zu beschaffen und zwar für Wertpapiere, die zum Nenn- und nicht zum Marktwert eingereicht würden. Dies wirke dem Problem entgegen, dass im Zuge des Zinsanstiegs viele Anleihen in den Büchern der Banken deutlich an Wert verloren hätten.
Von den Verwerfungen an den Finanzmärkten abgesehen, spreche der Datenfluss aber weiter für eine fortgesetzte Straffung der US-Geldpolitik: Die Erstanträge lägen wieder unter 200.000, die Beschäftigung sei im letzten Monat um über 300.000 gestiegen, die Baudaten für den Februar hätten einen überraschend kräftigen Sprung nach oben gezeigt und der Verbraucherpreisindex am 14. März habe das Bild einer Teuerung gezeichnet, die sich in den Dienstleistungskomponenten zu verfestigen drohe.
Nach den heftigen Ausschlägen der zurückliegenden Woche würden die FED-Funds-Futures zeigen, dass die Anleger mehrheitlich noch mit einer Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte rechnen würden - und zwar wahrscheinlich auf der Sitzung am 22. März. Die implizite Rendite des April-Kontrakts liege bei 4,78%, d.h. 15 Basispunkte über dem aktuellen Mittelwert des Zielkorridors von 4,50% bis 4,75%. Die Analysten würden davon ausgehen, dass die FED diesen Zinsschritt liefern werde, nicht zuletzt um Spekulationen über weitergehende Probleme im Finanzsystem ("Die FED weiß mehr") entgegenzuwirken. Eine weitere Eskalation in den kommenden Tagen könnte dies naturgemäß ändern.
Die relevantere Frage als was am 22. März passiere, sei aber, wie es danach weitergehe. Aktuell preise der Future-Markt eine noch schnellere und deutlichere Wende der FED ein als zuvor. Schon für den Sommer werde hier mit der ersten Lockerung gerechnet.
Die Konjunkturdaten würden hingegen eine weitere Leitzinserhöhung wahrscheinlich machen. So würden die Analysten ihre US-Prognosen anpassen: Erstens sei die konjunkturelle Dynamik im ersten Quartal unerwartet gut ausgefallen. Die von ihnen bisher prognostizierte Kontraktion der US-Wirtschaft lasse wohl länger auf sich warten. Aufgeschoben sei jedoch nicht aufgehoben. Sie würden weiter mit einer milden Rezession in diesem Jahr rechnen. Diese verschiebe sich aber nach hinten, was Auswirkungen auf die jahresdurchschnittlichen Wachstumsraten habe. Für 2023 stehe nun 1% (bisher: 0,5%) und für 2024 1,5% (bisher: 1,8%) zu Buche. Zweitens werde die Teuerung 2023 und 2024 wohl höher ausfallen als bisher gedacht (4% und 2,8%, statt 3,7% und 2,5%).
In den Projektionen würden die FOMC-Mitglieder am 22. März Farbe bekennen müssen: Was sei aus ihrer Sicht der wahrscheinlichste Leitzinspfad? Dies sei diesmal besonders schwierig, weil hier ja nur das Basisszenario abgebildet werde - die "tail risks" würden nicht auftauchen. Die Analysten würden davon ausgehen, dass die FOMC-Mitglieder das Risiko eingehen würden, die Märkte zu enttäuschen und mindestens bis ins Jahr 2024 stabile Leitzinsen, vielleicht sogar einen über die Werte der Dezember-Projektion hinausgehenden Zinsgipfel in Aussicht stellen würden.
Die angespannte Lage im Finanzsystem bei gleichzeitig ungelöstem Inflationsproblem bringe erhebliche Unsicherheit für den geldpolitischen Ausblick. Wenn die Unruhe anhalte bzw. noch zunehme, würde die Notenbank aus Sicht der Analysten zunächst von weiteren Zinserhöhungen absehen, die Hürde für kurzfristige Lockerungen hänge aber sehr hoch. Wenn sich die Situation jedoch zeitnah entspannen sollte und die FED sich wieder auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren könne, sei im März wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange bei den Zinserhöhungen erreicht.
Aus Sicht der Analysten dominiere daher das Risiko, dass der Markt erneut auf der Seite höherer Leitzinsen überrascht werde. Wegen der stark gestiegenen Unsicherheit würden sie aber Abstand davon nehmen, ihre Prognose jetzt entsprechend zu ändern. (17.03.2023/alc/a/a)