Euroland: Inflation - Rückgang der Kernrate stützt EZB-Tauben


02.05.23 16:15
Nord LB

Hannover (www.anleihencheck.de) - Soeben hat das Europäische Statistikamt aktuelle Daten zur Entwicklung der Verbraucherpreise im Euroraum veröffentlicht, so die Analysten der Nord LB.

Gemäß Schnellschätzung sei die Inflation im vergangenen Monat erwartungsgemäß leicht gestiegen, nachdem sie im März durch niedrigere Energiepreise kräftig gefallen sei. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) habe im Berichtsmonat April um 0,7% M/M zugelegt, wodurch die Jahresrate von 6,9% Y/Y im März auf nun 7,0% Y/Y gestiegen sei. Die heute gemeldeten Inflationsdaten lägen weitgehend im Rahmen der Erwartungen der zuvor befragten Analysten und Volkswirte.

Die aus den größten Volkswirtschaften vorliegenden Preisdaten hätten diese Entwicklung bereits vorgezeichnet. In Spanien (3,8% Y/Y) und Frankreich (6,9%) habe die Teuerungsrate angezogen, während in Deutschland (7,6%) der Preisdruck auch im April leicht abgenommen habe. Hier habe ein günstiger Basiseffekt bei Nahrungsmitteln zu der Entspannung beigetragen. Zeitgleich mit der Meldung von Eurostat seien die Preisdaten für Italien veröffentlicht worden, bei denen maßgeblich ein kräftiger Anstieg der Kraftstoffpreise zu der höheren HVPI-Jahresrate von 8,8% Y/Y (zuvor: 8,1%) beigetragen habe.

Auf europäischer Ebene seien nur ausgewählte Details veröffentlicht worden. Auch hier sei es zu einer Gegenbewegung bei den Energiepreisen gekommen, die Jahresrate notiere mit +2,5% Y/Y wieder im positiven Bereich. Ähnlich wie in Deutschland habe dem ein positiver Basiseffekt bei Nahrungsmitteln entgegengewirkt, die Teuerung bleibe im Bereich Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak mit 13,6% Y/Y (zuvor 15,5%) aber hoch.

Mit Blick auf die am Donnerstag anstehende Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank sei besonders hervorzuheben, dass sich die Kernrate erstmals seit Mitte letzten Jahres wieder leicht ermäßigt habe. In der Abgrenzung ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak sei die Jahresrate von dem Rekordhoch von 5,7% Y/Y im Vormonat um eine Nachkommastelle auf nun 5,6% Y/Y gesunken. Die Kernrate ex Energie sei etwas deutlicher von 7,9% auf 7,5% Y/Y gesunken. Ob dies bereits die erhoffte Trendwende bei der zugrunde liegenden Inflation darstelle, müsse sich aber in den nächsten Monaten erst noch herausstellen.

Die Entwicklung im Bereich der Kerninflation bleibe zudem zweigeteilt. Während sich der Preisrückgang bei industriellen Gütern ohne Energie (6,2% Y/Y) fortgesetzt habe, seien die Preise für Dienstleistungen auf ein neues Rekordhoch von 5,2% Y/Y geklettert. Hier gelte es für die Währungshüter in den kommenden Monaten weiterhin wachsam zu bleiben, ob starke Lohnzuwächse zu einer möglichen Verstetigung des Inflationsdrucks beitragen würden. Die Inflationsdaten April würden somit Tauben und Falken Argumente für ihre jeweiligen Positionen bieten, aber ebenso wie die neueste Kreditumfrage eher das Taubenlager im EZB-Rat stützen.

Der leichte Anstieg der Jahresrate im April dürfte ein temporäres Phänomen bleiben, bereits im Mai sei mit einer Fortsetzung des Abwärtstrends bei der Inflation zu rechnen. Die Inflation dürfte den Höhepunkt überschritten haben, sie bleibe aber noch einige Zeit hartnäckig. Für die EZB-Ratssitzung am Donnerstag würden die Analysten eine weitere Zinsanhebung um 25 Basispunkte erwarten, noch einmal begleitet von einem hawkishen Grundton. Danach seien aber nur noch im Juni und ggf. noch einmal im Juli Zinsanhebungen zu erwarten, somit nähere sich die EZB dem Ende im aktuellen Zinserhöhungszyklus.

Der Preisdruck im gemeinsamen Währungsraum habe sich im April erwartungsgemäß wieder leicht erhöht. Die HVPI-Jahresrate sei leicht auf 7,0% Y/Y geklettert, was allerdings eine temporäre Gegenbewegung bleiben dürfte. Ab Mai sei eine Fortsetzung des disinflationären Trends zu erwarten. Für die Geldpolitik sei von besonderer Bedeutung, dass die Kernrate im April leicht von ihrem zuvor markierten Rekordhoch auf "nur" noch 5,6% Y/Y gesunken sei.

Vor allem im Bereich der Dienstleistungspreise gebe es aber bislang keinen Grund zur Entwarnung. Es seien nur noch einige wenige Zinserhöhungen der EZB zu erwarten, und die Aprildaten zur Inflation und der jüngste Bank Lending Survey würden Argumente für eine Temporeduktion im Mai liefern. Am Donnerstag dürfte sich der EZB-Rat daher auf eine weitere Zinsanhebung um nur noch 25 Basispunkte einigen. (02.05.2023/alc/a/a)