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Entscheidungen der Zentralbanken weiterhin im Mittelpunkt des Anlegerinteresses - FED gibt weiter Gas


11.11.22 13:00
Weberbank

Berlin (www.anleihencheck.de) - Vor dem Hintergrund einer erhöhten Inflation und anhaltender Wachstumssorgen stehen die Entscheidungen der Zentralbanken weiterhin im Mittelpunkt des Anlegerinteresses, so Sören Wiedau, CEFA bei der Weberbank.

Die Kongresswahlen in den USA sowie die Hoffnungen auf ein Ende der Null-Covid-Politik Chinas hätten ihrerseits für volatile Finanzmärkte gesorgt.

Mit Spannung sei die Zinsentscheidung der US-Notenbank (FED) von den Marktteilnehmern erwartet worden. Die Leitzinsen seien, der Mehrheitsmeinung entsprechend, um weitere 75 Basispunkte angehoben worden, und zudem sei eine Reduzierung des Anhebungstempos in Aussicht gestellt worden. Auf die Stimmung habe der Umstand gedrückt, dass FED-Präsident Jerome Powell ein Pausieren im Zinsanhebungszyklus als "sehr verfrüht" kommentiert habe. Powells Erklärungen würden für einen höheren Leitzins im nächsten Jahr sprechen, als bisher erwartet worden sei, um die Inflation zu bekämpfen. Powell habe außerdem deutlich gemacht, dass er die Zinsen lieber zu viel als zu wenig anheben würde. Insgesamt habe die Sitzung gezeigt, dass die FED weiterhin restriktiv agiere, auch wenn die Geschwindigkeit der Zinserhöhungen womöglich gedrosselt werde. Die Analysten der Weberbank rechnen für Dezember mit einer Zinsanhebung von 50 Basispunkten, gefolgt von zwei bis drei kleineren Schritten um jeweils 25 Basispunkte.

Am Dienstag hätten die Kongresswahlen in den USA stattgefunden. Das finale Ergebnis stehe noch aus, es würden sich aber schon Tendenzen ableiten lassen. Entgegen den Prognosen der Meinungsforschungsinstitute hätten die Demokraten bisher besser abschneiden und die sogenannte "rote Welle" - einen überzeugenden Sieg der Republikaner in beiden Kammern - voraussichtlich verhindern können. Aufgrund der Sorgen der Bevölkerung bezüglich Inflation, Wirtschaft, Kriminalität und Einwanderung hätten die Marktteilnehmer mit einem besseren Ergebnis der Republikaner gerechnet. Zwar würden die Demokraten wahrscheinlich ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren, aber im Senat sei das Rennen noch offen.

Bei geteilten Machtverhältnissen werde das Regieren für Präsident Biden angesichts der tiefen politischen Spaltung des Landes schwieriger. Größere politische Veränderungen dürften dann bis zu den nächsten Wahlen in zwei Jahren kaum zu erwarten sein. Das habe für die Finanzmärkte den Vorteil, die amerikanische Politik besser einschätzen zu können. Größere Ausgabeprojekte im Sozialbereich oder Steuererhöhungen würden schwerer realisierbar. Ein Ausbleiben von Steuererhöhungen und damit verbundenen Belastungen der Unternehmen könnte sich positiv auf die Aktienmärkte auswirken.

Nachdem der DAX im September ein neues Jahrestief erreicht habe, habe er sich in den letzten Wochen deutlich erholen können. Dazu beigetragen hätten angesichts der im Allgemeinen pessimistischen Stimmung und defensiven Positionierung der Marktteilnehmer insbesondere die besser als erwartet laufende Quartalsberichtsaison. Viele Unternehmen würden noch von ihren gut gefüllten Auftragsbüchern und von einem stabilem Konsumverhalten in den USA profitieren. Allerdings halten die Analysten der Weberbank die Gewinnschätzungen für das Gesamtjahr 2023 noch für zu hoch. Diese dürften sich in den kommenden Wochen aufgrund der sich verschlechternden Konjunktur abkühlen. Auf der anderen Seite würden die Ängste um die Energieversorgung in Europa schwinden. Die vollen Gasspeicher und das relativ warme Herbstwetter würden eine Gasrationierung der Unternehmen und Haushalte unwahrscheinlich werden lassen.

Insgesamt sei die aktuelle Marktsituation weiter von konjunkturellen Unsicherheiten, steigender Zinsen und hoher Inflation geprägt. Für eine nachhaltige Jahresendrallye würden uns aber Anzeichen für eine Umkehr der Inflation und eine Bodenbildung der wirtschaftlichen Frühindikatoren fehlen. (11.11.2022/alc/a/a)