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Die EZB wird noch einige unbequeme Zinsentscheidungen treffen müssen


02.05.23 16:00
ETHENEA

Munsbach (www.anleihencheck.de) - Die EZB will ihre Zinsentscheidung von den aktuellen Inflationszahlen und Wirtschaftsdaten abhängig machen, so Volker Schmidt, Senior Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A.

Die heute von Eurostat veröffentlichten Zahlen würden zeigen: Im April 2023 habe sich die Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr noch einmal leicht auf 7% beschleunigt. Fallende Energiepreise sowie die Normalisierung der Lieferketten würden zwar die Hoffnung nähren, dass dies nur ein kurzfristiges Intermezzo sei - als Highlight zu nennen sei der Fall der regulierten Strompreise in Italien im April um sagenhafte 55%. Dennoch sei die Inflation viel zu hoch.

Zwar sei die Kerninflation (ohne die volatilen Komponenten Energie und Lebensmittel) im April 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat minimal gesunken, auf nun 5,6%. Das Potenzial für weitere Rückgänge sei aber begrenzt. Dies sollte für die Zentralbank eine deutliche Warnung sein, dass der Kampf gegen die Inflation noch lange nicht gewonnen sei. Eine weitere Zinssteigerung um 50 Basispunkte wäre aus Sicht von ETHENEA der richtige Weg, um den Einlagenzins von derzeit 3% zunächst auf 3,5% und bis zur Sommerpause noch auf mindestens 4% anzuheben.

Mit ihrer letzten Zinsentscheidung im März 2023 habe die EZB auch ihre aktuelle Inflationsprognose veröffentlicht: Für 2023 rechne die EZB mit einer Inflation von durchschnittlich 5,3%, für das Jahr 2024 mit 2,9%. Letztlich würden sich Kerninflation und Gesamtinflation annähern. Derzeit sei die umfassende Inflation noch höher, werde aber in den kommenden Monaten sicher unter die Kerninflation fallen, wie dies in den USA bereits geschehen sei. Da die Energiepreise aber nicht dauerhaft sinken würden, müssten sich die beiden Werte bis 2024 annähern. ETHENEA gehe davon aus, dass dieser Wert bei 4% oder höher liegen werde, also deutlich über der EZB-Prognose für 2024.

Die wirtschaftliche Verfassung sei zumindest solide - in dieser Hinsicht bestehe kein Grund zur Zurückhaltung für die EZB. Der März-Zinsentscheid der EZB sei wenige Tage nach der Pleite der Silicon Valley Bank erfolgt, fast zeitgleich habe die Credit Suisse gewackelt und nur wenig später sei der Notverkauf an die UBS erfolgt. Heute könne man sagen, dass die daraus entstandenen Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Eurozone vernachlässigbar seien. Der Dienstleistungssektor brumme aktuell, wie die veröffentlichten Stimmungsindikatoren (Einkaufsmanagerindices) zuletzt wieder bestätigt hätten. In der Industrie sei die Lage differenzierter, aber auch hier würden die Auftragseingänge wieder anziehen.

Um ihr Inflationsziel zu erreichen, werde die EZB noch einige unbequeme Zinsentscheidungen treffen müssen. (02.05.2023/alc/a/a)