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EZB: Weitere Zinserhöhung nicht mehr nötig


13.11.23 12:26
Nord LB

Hannover (www.anleihencheck.de) - Die Frühindikatoren hatten es bereits angedeutet, die erste Schnellschätzung von Eurostat Ende Oktober hat es nun bestätigt: Die Wirtschaftsleistung im Euroraum ist gegenüber dem Vorquartal gesunken, wenn auch nur leicht um -0,1% Q/Q, so die Analysten der NORD LB.

Unter den großen Volkswirtschaften sei das reale BIP in Spanien leicht und in Frankreich minimal gewachsen, während es in Italien stagnierte und in Deutschland minimal geschrumpft ist sei. Sehr kräftig abwärts sei es gemäß Schnellschätzung für das irische BIP gegangen, allerdings habe sich diese Zeitreihe zuletzt als sehr revisionsanfällig erwiesen. Kurzfristig dürfte die Schwächephase anhalten. Zum einen würden wichtige Präsenzindikatoren mit einem statistischen unterhang ins vierte Quartal starten, zum anderen lägen auch die PMIs für die Industrie und den Dienstleistungssektor weiter unterhalb der Expansionsschwelle. Entsprechend dürfte auch die EZB ihre Projektionen im Dezember "dovish" anpassen. Während die letzte Konjunkturprognose noch zu optimistisch gewesen sei - die Analysten der NORD LB würden nur mit 0,5% und 0,9% Wachstum für 2023/24 rechnen - sei der jüngste Inflationsrückgang überraschend kräftig ausgefallen. Es werde somit dann zunehmend schwierig werden, einen "tightening bias" begründet aufrechtzuerhalten.

Konjunktur- und Inflationsentwicklung würden gute Gründe für EZB-Zinspause liefern

Für die EZB laufe es derzeit nach Plan. Etwas mehr als ein Jahr nach Beginn der Straffungspolitik sei die Inflation in der Eurozone von zwischenzeitlich über 10% auf 2,9% Y/Y im Oktober zurückgegangen. Auch die viel beachtete Teuerung ohne Energie und Nahrungsmittel, die Kernrate, habe sich zuletzt auf 4,2% Y/Y ermäßigt. Die Produzentenpreise seien im August und September gegenüber dem Vorjahresmonat zweistellig gefallen. Die EZB habe sich auf ihrer letzten Sitzung zufrieden mit der aktuellen Preisentwicklung und der Wirkung ihrer Geldpolitik gezeigt. Die zehn Leitzinserhöhungen seit Juli 2022 seien in der Realwirtschaft angekommen. Die Konjunktur in der Eurozone habe sich spürbar abgekühlt, laut EZB-Rat zuletzt sogar etwas deutlicher als zunächst angenommen. Die EZB habe sogar eingeräumt, dass die Risiken hier eher nach unten als nach oben zeigen würden. Entsprechend sei die Entscheidung der Zentralbanker auf ihrer Sitzung Ende Oktober auch alles andere als überraschend gekommen, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Angesichts der zuletzt positiveren Inflationsentwicklung und zugleich gestiegenen Abwärtsrisiken für die Konjunktur dürften die Leitzinsen damit ihren Gipfel in diesem Zinserhöhungszyklus erreicht haben. Die weitere geldpolitische Diskussion werde sich darum drehen, wie lange die Leitzinsen auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten würden. Anzeichen für eine baldige Lockerung würden die Analysten der NORD LB zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehen, erst Mitte 2024 dürfte sich für moderate Zinssenkungen das Fenster öffnen.

Die EZB bleibe wachsam - Markterwartungen zu Leitzinssenkungen in 2024 zu offensiv

Die Entscheidung der EZB dürfte im Oktober auch deswegen einstimmig erfolgt sein, weil sich mit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas die Risiken für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone und darüber hinaus zusätzlich nach unten verschoben hätten. Sofern aus den geopolitischen Risiken neue Gefahren für das Inflationsziel erwachsen sollten, habe EZB-Präsidentin Lagarde unmissverständlich klargemacht, dass die Notenbank bereit sei, ohne zu zögern mit Leitzinserhöhungen zu reagieren. Ein mögliches Ereignis wäre etwa ein substanzieller Anstieg der Energiepreise, den, auch aus der Erfahrung der aktuellen Inflationsepisode, die EZB sicher nicht als transitorisches Phänomen ignorieren würde. Im Vorfeld der Ratssitzung seien die Kapitalmarktzinsen kräftig gestiegen. Auf der Pressekonferenz habe EZB-Präsidentin Lagarde hervorgehoben, dass man bereitstünde, die Programme gegen ungerechtfertigte Spreadausweitungen bei Bedarf wieder zu nutzen.

Nachdem verschiedene andere Zentralbanken, u.a. die FED, ihre Leitzinsen ebenfalls unverändert gelassen hätten, hätten sich die Märkte allerdings wieder beruhigt. Aus heutiger Sicht dürfte das Renditeniveau seinen zyklischen Hochpunkt hinter sich gelassen haben. Mit stark sinkenden Zinsen sollte aber nicht allzu schnell gerechnet werden. Die Märkte würden bereits für das kommende Frühjahr eine erste Zinssenkung einpreisen, insgesamt für das Jahr 2024 mehr als 100 Basispunkte. Dies könnte sich als etwas zu offensiv erweisen. Die EZB betone, dass sie den aktuellen Inflationsprozess weiterhin als hartnäckig ansehe. Das Leitzinsniveau werde sie daher erst senken, wenn es eindeutige Zeichen gebe, dass das gewünschte Preisstabilitätsziel von 2% wieder nachhaltig erreicht sei. (13.11.2023/alc/a/a)