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EZB-Vorschau: Überblick und Erwartungen


16.03.23 12:24
XTB

Frankfurt (www.anleihencheck.de) - Die Europäische Zentralbank wird heute um 14:15 Uhr ihre Zinsentscheidung bekannt geben, so die Experten von XTB.

EZB-Präsidentin Lagarde werde um 14:45 Uhr eine Pressekonferenz nach der Sitzung abhalten. Von Bloomberg und Reuters befragte Ökonomen würden von einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte ausgehen, aber diese Umfragen könnten bereits veraltet sein und nicht die tatsächlichen Erwartungen nach den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor widerspiegeln.

Was sei eingepreist?

Wirtschaftsexperten hätten erwartet, dass die Europäische Zentralbank heute die Zinsen um 50 Basispunkte anhebe und den Einlagensatz auf 3,00% erhöhe - den höchsten Stand seit Ende 2008. In einer Bloomberg-Umfrage würden 55 von 56 Ökonomen ein solches Ergebnis erwarten. Die Deutsche Bank sei die einzige, die eine Erhöhung um 25 Basispunkte vorhersage. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Deutsche Bank ihre Prognose erst gestern inmitten der Turbulenzen im europäischen Bankensektor auf 25 Basispunkte geändert habe. Da die Geldmärkte sehr viel schneller auf Entwicklungen an den Finanzmärkten reagieren würden als die Ökonomen, könne ein Blick auf die Marktpreise für die heutige Sitzung ein besseres Bild vermitteln. Die Märkte würden derzeit mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 40% für eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte und mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 60% für einen Zinsschritt um 25 Basispunkte rechnen.

Wie sich die Dinge nach den jüngsten Turbulenzen verändert hätten

Die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Ökonomen und den Geldmarktpreisen sei ziemlich groß, und der Grund dafür sei leicht auszumachen - die Turbulenzen im amerikanischen und europäischen Bankensektor. Während die Marktteilnehmer nicht allzu besorgt darüber gewesen seien, dass die EZB ihren Plan, die Zinsen um 50 Basispunkte zu erhöhen, aufgebe, habe sich die Lage in dieser Woche geändert, als die Angst vor einer Ansteckung auf Europa übergegriffen habe und die Aktien der Credit Suisse gestern in den freien Fall geraten seien. Dies habe zu einem massiven Rückgang der Zinserhöhungserwartungen geführt, wobei die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte von fast 100% auf etwa 40% gesunken sei!

EZB stehe inmitten der Turbulenzen bei der Credit Suisse vor einem Dilemma

Die Turbulenzen im europäischen Bankensektor würden die EZB vor ein Dilemma stellen: Solle sie mit deutlichen Zinserhöhungen fortfahren, um die Inflation in den Griff zu bekommen, auch wenn sie damit eine europäische Bankenkrise auslöse? Dies sei eine schwierige Entscheidung.
Einerseits sei es der Credit Suisse gelungen, von der Schweizerischen Nationalbank und der Schweizer Aufsichtsbehörde die Zusicherung zu erhalten, dass sie im Bedarfsfall Unterstützung erhalten werde. Die Credit Suisse habe bekanntgegeben, dass sie beabsichtige, eine Option auszuüben, um von der Schweizerischen Nationalbank über eine gedeckte Kreditfazilität weitere 50 Milliarden CHF aufzunehmen, um ihre Liquiditätslage zu verbessern. Dies habe zu einer Erleichterung am Markt und zu einem Kurssprung der Credit Suisse-Aktie von über 30% bis heute geführt.

Andererseits bedeute die Unterstützung durch die SNB nicht, dass die Sorgen der Credit Suisse vorbei seien. Es sei kein Geheimnis, dass die Credit Suisse in einige der jüngsten öffentlichkeitswirksamen Marktskandale verwickelt gewesen sei, wie z.B. die Skandale um Archegos oder Greensill. Es sehe so aus, als gäbe es bei der Schweizer Bank einige erhebliche Mängel bei der Einhaltung von Vorschriften und im Risikomanagement, was sich negativ auf das Vertrauen der Anleger in die Bank auswirke. Die Unterstützung durch die Behörden habe die Bedenken zwar vorerst zerstreuen können, doch eine weitere besorgniserregende Nachricht über die Credit Suisse könnte die Probleme und Marktturbulenzen wieder aufflammen lassen.

Vorsichtige Botschaft von Lagarde sei wahrscheinlich

Sollte heute eine vorsichtige Entscheidung getroffen werden, wie z. B. eine Zinserhöhung um nur 25 Basispunkte oder sogar eine unveränderte Beibehaltung der Zinssätze, dürfte dies keine Überraschung sein. Da die Erwartungen zwischen +25 und +50 Basispunkten schwanken würden, werde dies wahrscheinlich eine dovishe Reaktion an den Märkten auslösen (Rückgang des EUR und Anstieg der Aktienkurse). Die begleitende Erklärung dürfte jedoch sehr zurückhaltend ausfallen. EZB-Präsidentin Lagarde werde sich während der Pressekonferenz Fragen zur Lage der Banken stellen, aber es sei sehr wahrscheinlich, dass sie die aktuellen Risiken herunterspielen, die Maßnahmen der Schweizer Behörden begrüßen und darauf hinweisen werde, dass die EZB die Situation und die Gründe dafür besser verstehen müsse, bevor sie eine Reaktion gebe. Sie werde sich wahrscheinlich auch vorsichtig zu künftigen geldpolitischen Maßnahmen äußern und sich nicht eindeutig zum Umfang der Zinserhöhungen äußern, wie sie es im letzten Monat getan habe, als sie eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte auf der März-Sitzung angedeutet habe.

Zu beachten sei auch, dass es sich um eine vierteljährliche EZB-Sitzung handele, was bedeute, dass eine neue Reihe von Wirtschaftsprognosen veröffentlicht werden werde. Diese dürften auf eine niedrigere Gesamtinflation in den kommenden Monaten hindeuten, während sich die Kerninflation im Vergleich zu früheren Prognosen kaum verändern dürfte.

Ein Blick auf die Märkte: EURUSD und DAX

EUR/USD sei gestern angesichts der Probleme im Bankensektor auf der anderen Seite des Atlantiks zurückgefallen. Das Paar habe eine kurzfristige Aufwärtstrendlinie getestet, aber den Bullen sei es gelungen, sie zu verteidigen. Dabei sei zu beachten, dass diese Trendlinie als Nackenlinie des SKS-Musters betrachtet werden könne, wobei die Nackenlinie bei 1,0740 liege. Eine dovishe Haltung der EZB könnte dazu führen, dass das Paar die heutigen Tagesgewinne ausradiere und unter die Trendlinie falle. Dies würde den Weg für einen stärkeren Rückgang ebnen.
Der DAX habe den heutigen Handel höher begonnen, da die Unterstützung der SNB für die Credit Suisse die Marktstimmung gestützt habe. Die meisten dieser Gewinne seien jedoch bereits wieder aufgezehrt worden und der Index notiere nur leicht über dem gestrigen Schlusskurs. Ein Blick auf den D1-Chart zeige, dass der Index heute eine wichtige Unterstützung teste - die untere Grenze der Overbalance-Struktur bei 14.800 Punkten. Den Bullen sei es gestern gelungen, diesen Bereich zu verteidigen, aber der erneute Versuch, darunter zu brechen, zeige, dass ein Durchbruch nach unten immer noch möglich sei. Eine hawkishe EZB heute - eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte und das Signal, dass die Turbulenzen in der Credit Suisse den Zinspfad der EZB nicht hätten entgleisen lassen - könnte den Index deutlich unter diese Hürde fallen lassen. (16.03.2023/alc/a/a)
Offenlegung von möglichen Interessenskonflikten:

Mögliche Interessenskonflikte können Sie auf der Site des Erstellers/ der Quelle der Analyse einsehen.