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EZB: Das Tempo der Zinsstraffungen zurückgenommen


08.05.23 09:39
Raiffeisen Bank International AG

Wien (www.anleihencheck.de) - Wie überwiegend erwartet, beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) letzte Woche eine Leitzinsanhebung um 25 Basispunkte, womit ab dieser Woche der Hauptrefinanzierungssatz 3,75% und der Einlagesatz 3,25% betragen werden, so die Analysten der Raiffeisen Bank International AG (RBI).

Das Tempo der Zinsstraffungen sei also zurückgenommen worden (zuvor Schritte von 50 BP) und werde nach Meinung der Analysten der RBI bis zum Ende des Anhebungszyklus so beibehalten werden.

Präsidentin Lagarde habe weitere Anhebungen sehr klar in Aussicht gestellt (z.B.: man habe noch Boden gutzumachen, die Reise sei noch nicht zu Ende), womit die Analysten der RBI einen Schritt im Juni als so gut wie sicher und auch im Juli als sehr wahrscheinlich erachten würden. Gleichzeitig sei aber aus den Formulierungen zu erkennen, dass sich der Zinsanhebungsprozess in seiner letzten Phase befinde. Immerhin sei recht deutlich auf die bereits erfolgte zinspolitische Straffung hingewiesen worden. Zudem seien in der Presseaussendung Überlegungen zur Vorgehensweise nach dem Erreichen des Zinshochs erwähnt worden. Konkret solle es datenabhängig bleiben, wie lange die Leitzinsen auf dem zu erreichenden Plafonds verharren würden.

Der Zinsmarkt werde sich somit nicht allein über das Zinshoch Gedanken machen, sondern zunehmend miteinbeziehen, was danach zu erwarten sei. Während früher oder später also die Aufwärtsfantasien zum mittelfristigen Leitzinsverlauf limitiert erscheinen, werden die Spekulationen über das Abwärtspotenzial zunehmen, so die Analysten der RBI. Die Meinung der Analysten der RBI sei angesichts zäher Inflation klar: Erste Zinssenkungen sähen sie erst weit im Jahr 2024 - und der Weg nach unten werde länger dauern als der Anhebungsprozess (und nicht zu den zurückliegenden Tiefs führen). Diese datenabhängige Strategie der EZB bedeute, dass sich deutsche Anleiherenditen und EUR Swapsätze für die kommenden Quartale sehr volatil in einer breiten Bandbreite mit einem gewissen Abwärtsbias bewegen würden.

Auch die FED habe die Erwartungen erfüllt und das Zielband für die Federal Funds Rate um 25 Basispunkte auf 5% bis 5,25% angehoben. Außerdem sei die explizite Forward Guidance, dass "etwas mehr an geldpolitischer Straffung" zu erwarten sei, aus der geldpolitischen Erklärung gestrichen worden. Dies sei ein deutliches Signal, dass die FED beabsichtige, den Zinserhöhungszyklus auf dem aktuellen Niveau zu beenden, sollten sich die Wirtschafts- und Inflationsaussichten der FED bewahrheiten. Dies bestätige die aktuelle Prognose der Analysten der RBI.

Interessanterweise sei der eher dovishen geldpolitischen Erklärung nicht eine hawkishe Pressekonferenz gefolgt. Tatsächlich habe sich Powell nicht aggressiv gegen die derzeitige Markterwartung von Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte gestellt. Das sei zwar nicht die Erwartung der FED, aber wenn die disinflationäre Dynamik stärker ausfalle als erwartet, könnte dies ein angemessener Leitzinspfad sein. Die Analysten der RBI hätten ein stärkeres Bekenntnis zu einer längeren Phase erhöhter Leitzinsen erwartet. Für die Märkte bedeute dies, dass die FED wohl weiterhin mit einem dovishen Bias gepreist werden könnte und Renditen einen volatilen Abwärtstrend einschlagen könnten, wobei kurzfristige Volatilität mit dem datenabhängigen Ansatz der FED in Verbindung stehe.

Hinsichtlich dieses besagten datenbasierten Ansatzes der FED stehe bereits diese Woche ein wichtiger Datenpunkt auf dem Programm: Die Verbraucherpreisinflation (VPI) des Monats April. Bedingt durch einen starken Basiseffekt bei den Energiepreisen, habe das Wachstum der Gesamtinflationsrate im Jahresvergleich zuletzt eine deutliche Verringerung aufgewiesen (Februar: 6%, März: 5%). Die Kerninflationsrate, welche Energie und Nahrungsmittel exkludiere, habe sich hingegen als hartnäckig erwiesen (Februar: 5,5%, März: 5,6%). Dieser Kerninflationsdruck sei auch in der monatlichen Betrachtung deutlich geworden, hier habe die Kernkomponente bei der letzten Veröffentlichung mit 0,4% p.m. deutlich stärker zugelegt als die Gesamtrate mit 0,1% p.m. Nachdem die Ölpreise Anfang April allerdings merklich angestiegen seien (OPEC+ Produzenten hätten eine Reduktion der Ölproduktion angekündigt), werde die Energiekomponente im April wohl weniger positiv zur Inflationsentwicklung beigetragen haben als noch im Vormonat. Konsensschätzungen würden jedenfalls auf einen Anstieg der Gesamtinflationsrate um 0,4% im Monatsvergleich hindeuten. Bei der Kerninflationsrate werde mit 0,3% eine leicht schwächere Zunahme als noch im März prognostiziert.

Mit dem ISM erschien in den USA diese Woche der letzte relevante Stimmungsindikator für den Monat April, so die Analysten der RBI. Hier hätten die Indikatoren für das Verarbeitende und das Nicht-Verarbeitende Gewerbe erwartungsgemäß jeweils auf eine leichte Verbesserung hingewiesen. Allerdings rangiere erstere Kennzahl mit 47,1 Punkten immer noch unter der entscheidenden 50-Punkte Linie, welche expansives von schrumpfendem Gebiet trenne. Der Nicht-Verarbeitende Sektor liege indessen mit 51,9 Punkten über besagter Trennlinie. Anfang dieser Woche stehe dann mit dem Eurozonen-Sentix bereits der erste Stimmungsindikator für den Monat Mai in den Startlöchern. Dieser notiere seit März 2022 im negativen Bereich, was auf eine pessimistische Erwartungshaltung der befragten Finanzmarktteilnehmer hinweise (Wert im April: -8,7). Basierend auf ihren Modellen würden die Analysten der RBI eine leichte Verbesserung auf -8 Punkte für am wahrscheinlichsten halten. (Ausgabe vom 05.05.2023) (08.05.2023/alc/a/a)