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EZB-Sitzung: Europäische Fragmentierung nimmt zu, Wachstum bleibt schwach


03.05.23 16:00
Neuberger Berman

New York (www.anleihencheck.de) - Am Donnerstag steht die nächste EZB-Sitzung an, so die Experten von Neuberger Berman.

Die dominierenden Fragen diesmal: Inwiefern könnten die positiveren Wirtschaftsdaten einen Einfluss auf die morgige Zinsentscheidung haben - und werde die zunehmende Fragmentierung in Europa zum Problem? Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei dem US-amerikanischen Vermögensverwalter Neuberger Berman, gebe seine Einschätzung zu den anstehenden Entscheidungen:

"Wir erwarten, dass die EZB das Tempo der Zinserhöhungen am kommenden Donnerstag von 50 auf 25 Basispunkte verlangsamt. Der Leitzins hat das restriktive Niveau von 3 Prozent erreicht. Gleichzeitig ist die Gesamtinflation in der Eurozone insbesondere aufgrund der Energiepreise zügig und deutlich von noch 10,6 Prozent im Oktober auf 7 Prozent im April gesunken. Insofern gibt es keinen Grund mehr für eine stärkere Anhebung. Seit Februar ist auch bei den Preisen für Industriegüter ohne Energie ein Rückgang zu beobachten und die Lebensmittelpreise sinken seit April. Nur bei den Preisen für Dienstleistungen ist weiterhin ein Anstieg zu beobachten - allerdings nur ein leichter. Das zeigt: Die Inflationsrate beginnt sich zu normalisieren. Die aktuelle Bank Lending Survey liefert ähnliche Indikatoren. So ist die Kreditnachfrage der privaten Haushalte und der Unternehmen deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig haben Geschäftsbanken in der Eurozone ihre Kreditvergabestandards verschärft. Der Bericht zeigt aber auch, wie stark sich insbesondere die Wirtschaft im südlichen Europa mittlerweile eingetrübt hat. Das weckt die Sorge, einer weiteren Fragmentierung Europas."

Dazu, inwiefern die kürzlich veröffentlichte Wirtschaftsprognose der Bundesregierung Einfluss auf die weitere Geldpolitik der EZB nehmen könnte, meine Patrick Barbe:

"Die Aktivität in der Eurozone war dank der europäischen Peripherie bis März besser als erwartet. Tatsächlich verzeichnete die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal 2022 einen Rückgang und stagnierte im ersten Quartal 2023 – insbesondere aufgrund des schwächelnden Konsums. Die jüngsten Konjunkturumfragen zeigen jedoch in vielen Ländern eine Aufhellung der Stimmung. Das haben einige europäischen Regierungen zum Anlass genommen, ihre Wachstumsaussichten anzuheben - auch in Deutschland. Dennoch zeigt die schwache Kreditvergabe der Banken, dass die Zinserhöhungen Unternehmen im Euroraum belasten. Die hohen Finanzierungskosten bremsen die Investitionsausgaben. Zudem belasten die schwächelnde US-Konjunktur sowie die Erholung Chinas, die langsamer vorangeht als erwartet, die Exporte. Insofern dürfte das Wachstum auch in den kommenden Quartalen flach bleiben."

Während die FED-Bilanz aufgrund der Notverschuldung der US-Banken sprunghaft angestiegen sei, schrumpfe die EZB-Bilanz weiter. Dazu sage Patrick Barbe:

"In der Eurozone scheint es im Bankensektor bisher keine Probleme zu geben - vor allem nicht im Hinblick auf die Liquidität: Die Banken profitieren immer noch von den fast zwei Billionen Euro, die die EZB durch die TLTRO (Targeted longer-term Refinancing Operations) zur Verfügung gestellt hat. Alle Banken werden beaufsichtigt und müssen aufsichtsrechtliche Vorschriften wie die LCR einhalten, damit die EZB ihre Bilanz weiter schrumpfen kann." (03.05.2023/alc/a/a)