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EZB: Fortsetzung, Ende oder Pause des straffen geldpolitischer Kurses?


15.03.23 09:15
BNY Mellon IM

Frankfurt am Main (www.anleihencheck.de) - Da die Kerninflation im Euroraum in den vergangenen Monaten weiter angestiegen ist, hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen weiter angehoben, so Sebastian Vismara, Senior Global Macro Economist und Strategist bei BNY Mellon Investment Management.

Die Experten würden davon ausgehen, dass sie diesen Kurs fortsetze und die Zinsen diese Woche um weitere 50 Basispunkte anheben werde. Es sei denn, die Finanzprobleme, von denen derzeit einige kleinere US-Banken betroffen seien, würden sich zuspitzen und auf größere US-Institute und oder europäische Banken übergreifen.

In den letzten Wochen hätten starke Inflationsdaten und deutliche EZB-Kommentare die Markterwartungen auf über 4 Prozent getrieben. Das heiße, der Markt habe Zinserhöhungen von mehr als 150 Basispunkten eingepreist.

Die Experten seien hier eher skeptisch und würden denken, dass die Wirtschaft weiterhin schwach sei, zumal die Inlandsnachfrage im vierten Quartal 2022 rückläufig gewesen sei. Vor allem aber unterschätze der Markt ihrer Ansicht nach die zeitlich verzögerten negativen Auswirkungen der straffen Geldpolitik auf die Wirtschaft. Sie würden erwarten, dass die Kerninflation relativ bald einen Höhepunkt erreichen werde und damit auch die Zinserhöhungen beendet sein würden. Denn die Geschichte zeige, dass es äußerst unwahrscheinlich sei, dass die Zentralbanken bei sinkender Inflation die Zinsen noch lange erhöhen würden.

Vieles hänge von den Ereignissen in den USA ab, wie die Zentralbanken sich verhalten würden. Wenn sich die Ereignisse in Grenzen halten würden, wovon die Experten ausgehen würden, würden sie mit einer Zinserhöhung der EZB um 50 Basispunkte auf der Sitzung in dieser Woche rechnen und weitere Zinsschritte um 100 Basispunkte bis zum dritten Quartal 2023 erwarten. Sie würden davon ausgehen, dass der Zinserhöhungszyklus mit Leitzinsen im Bereich von 3,5-4 Prozent enden werde.

Sollten die Ereignisse in den USA jedoch schwerwiegender sein und eine Pause im Zinserhöhungszyklus der FED oder sogar Zinssenkungen rechtfertigen, würden die Experten erwarten, dass die EZB nach der Zinserhöhung in dieser Woche eine Pause einlegen werde. Ihrer Ansicht nach treffe das Sprichwort "Wenn die USA niesen, erkältet sich der Rest der Welt" weiterhin weitgehend zu.

Die EZB habe in der Vergangenheit die Stärke der Wirtschaft überschätzt, und trotz eines schwachen Wirtschaftsumfelds einen restriktiven geldpolitischen Kurs verfolgt: Sie habe bereits zweimal in einer Rezession die Zinsen erhöht, was zu fallenden Aktienkursen und einem Anstieg der Renditeaufschläge von Schwellenländeranleihen geführt habe.

In Anbetracht der derzeitigen deutlichen EZB-Kommunikation könne man nicht ausschließen, dass sich ein Fehler wiederhole und sie trotz einer schwachen Binnenkonjunktur oder Anzeichen für eine deutliche Verschlechterung der US-Wirtschaftsaussichten noch einige Zeit an den Zinserhöhungen festhalte. (15.03.2023/alc/a/a)