Deutsche Wirtschaft kraftlos - Inflation leicht rückläufig


04.05.23 18:01
ALTE LEIPZIGER Trust

Oberursel (www.anleihencheck.de) - Die deutsche Konjunktur ist gespalten, so die Experten der ALTE LEIPZIGER Trust.

Auf der einen Seite profitiere die Industrie von nachlassenden Lieferengpässen sowie von den wieder gesunkenen Energiepreisen und sei auf einen Wachstumskurs eingeschwenkt. Auf der anderen Seite zehre die hohe Inflation an der Kaufkraft der privaten Haushalte und lasse den Konsum schrumpfen.

Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes habe das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal zum Vorquartal stagniert. Zum Jahresende 2022 habe sich die Wirtschaftsleistung zum Vorquartal nach jüngsten Daten noch um 0,5% verringert. Der reale Einzelhandelsumsatz dürfte im ersten Quartal zum vierten Mal in Folge gesunken sein. Belastend wirke auch der Wegfall des Umweltbonus für Elektro- und Hybridfahrzeuge, der zu einem Rückgang im Kfz-Handel geführt habe. Damit seien die privaten Konsumausgaben in den ersten drei Monaten des Jahres vermutlich rückläufig gewesen.

Für die Industrieproduktion hingegen sei mit einem Zuwachs zu rechnen. Dies gelte trotz der schwierigen konjunkturellen Lage auch für den Bau, der wetterbedingte Einschränkungen im alten Jahr wieder aufgeholt habe. Auch die Außenhandelszahlen seien positiv ausgefallen. Die Wirtschaftsleistung dürfte im ersten Quartal stagnieren und damit besser ausfallen als zuvor prognostiziert.

Zunehmend würden sich mittlerweile die negativen Konsequenzen der restriktiveren Geldpolitik zeigen, sei dies in den drastisch gesunkenen Bestellungen im Bau oder zuletzt bei den Problemen einzelner internationaler Banken. Auch seien negative Rückwirkungen aus den USA zu erwarten. Die deutschen Verbraucher würden angesichts sinkender Reallöhne zurückhaltend agieren.

Die Inflationsrate in Deutschland sei im April weiter leicht gesunken. Die Verbraucherpreise hätten im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie von vielen Ökonomen erwartet, um 7,2% zugelegt. Das habe das Statistische Bundesamt auf Basis einer vorläufigen Schätzung bekannt gegeben. Ökonomen hätten im Vorfeld einen Rückgang auf dieses Niveau erwartet. Im März habe die Rate bei 7,4% gelegen. Die größten Preistreiber seien weiterhin Lebensmittel, die sich um 17,2% verteuert hätten. Die Preise für Energie seien um 6,8%, Dienstleistungen um 4,7% gestiegen.

Die Commerzbank schätze, dass die Kerninflation - damit sei die um Energie und Nahrung bereinigte Preissteigerung gemeint - im April bei 5,8% verharrt sei. Die deutschen Statistiker würden den Wert nicht separat ausweisen. Die Kerninflation gelte als wichtiger Indikator für den mittelfristigen Preistrend. Die Daten aus Deutschland seien ein wichtiger Hinweis für die Inflationsentwicklung im gesamten Euro-Raum. Vor der nächsten Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) würden Investoren stark auf die neuen Zahlen zur Preisentwicklung achten.

In Europa dürfte eine restriktivere Kreditvergabe der Banken die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinträchtigen. Da bei den Zentralbanken Unklarheit über das Ausmaß der zusätzlichen Straffung der Finanzierungskonditionen herrsche und die Kerninflation weiter hartnäckig sei, sollte der Zinsgipfel noch nicht erreicht sein.

Aufgrund der fragileren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Eurozone sollte die EZB die Zinsen nicht so hoch anheben wie die FED. Nach einem Zinsschritt von 25 Basispunkten im Mai könnte noch eine weitere Zinsanhebung im Juni folgen. Dann sollte auch im Euro-Raum die Kerninflation auf dem Rückzug sein und die ersten Auswirkungen der strafferen Kreditvergabepolitik sichtbar werden.

Da die Experten im Jahresverlauf keine Entwarnung beim unterliegenden Inflationsdruck erwarten und die jüngsten Tarifvereinbarungen teilweise auch deutliche Lohnanhebungen für 2024 beinhalten würden, dürften die Markterwartungen schneller Zinssenkungen möglicherweise enttäuscht werden und in der Folge im zweiten Halbjahr risikoreichere Asset-Klassen belasten.

Dennoch sei zum Beispiel der Deutsche Aktienindex (DAX 40) trotz seines hohen Kursniveaus, gemessen an seiner Historie, weiterhin moderat bewertet. Positive Gewinnrevisionen der im Index enthaltenen Unternehmen seien in der Überzahl, weshalb zunächst durchaus noch weiterer Raum für eine Bewertungsexpansion gegeben sei. (Ausgabe Mai 2023) (04.05.2023/alc/a/a)