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Anleihen nur Großinvestoren vorbehalten oder auch was für den privaten Anleger?


08.09.23 10:07
Raiffeisen Bank International AG

Wien (www.anleihencheck.de) - Anleihen sind zurück, so die Analysten der Raiffeisen Bank International AG (RBI).

Nach einem Jahrzehnt niedriger Zinsen seien seit Anfang letzten Jahres Renditen von festverzinslichen Wertpapieren deutlich angestiegen. Die einst in den Hintergrund gefallene Assetklasse habe deutlich an Attraktivität gewonnen und rücke wieder stärker in den Fokus von Privatinvestoren. Mit planbaren Renditen würden Anleihen eine Sicherheit bieten, welche viele anderen Anlageformen nicht innehätten, und die besonders in unsicheren Zeiten an Aufmerksamkeit gewinne. Regulatorische Hürden würden jedoch das für private Anleger direkt zugängliche Anleiheuniversum deutlich eingrenzen.

In den letzten Zehn Jahren befanden wir uns im Euroraum in einem Niedrigzinsumfeld, so die Analysten der RBI. Die Finanzkrise 2008, die darauf folgende Staatsschuldenkrise und die niedrigen Inflationsraten in den darauffolgenden Jahren hätten die EZB dazu veranlasst, die Leitzinsen zu senken und auf einem historisch niedrigen Niveau zu halten. Erst Anfang letzten Jahres habe der EZB-Einlagesatz noch im negativen Terrain gelegen und 10-jährige österreichische Bundesanleihen hätten nur eine Rendite von knapp 0% geboten. Mit dem rapiden Anstieg der Inflation im letzten Jahr habe die Geldpolitik der Zentralbank jedoch in die andere Richtung gedreht. Zinsen seien in einem noch nie dagewesenen Tempo angehoben worden und das Anleiheportfolio der EZB werde nun reduziert. Dies habe zu einem starken Anstieg der Anleiherenditen geführt. Die zuvor erwähnte österreichische Anleihe rentiere nun bei über 3%.

Die Anlageklasse der Anleihen sei größtenteils in Hand von institutionellen Investoren wie Banken, Versicherungen, Pensions- und Investmentfonds und Staaten. Von österreichischen Gläubigern gehaltene österreichische Anleihen seien im ersten Quartal 2023 zu 89% im Besitz institutioneller Investoren gewesen. Nur 9% würden auf private Haushalte entfallen. Privatanleger würden andere Formen der finanziellen Veranlagung bevorzugen. Ein Blick auf das Finanzvermögen der privaten Haushalte zeige, dass nur etwa 3,0% davon direkt in Schuldverschreibungen wie Anleihen investiert seien. In den allermeisten europäischen Ländern liege der Anteil aktuell unter 2%. Ungarn und Italien würden aufgrund der speziell für Privatinvestoren begebenen Staatsanleihen hervorstechen.

Anleihen hätten jedoch nicht immer eine so kleine Rolle gespielt. Ende 2010 habe in Österreich der Anteil bei immerhin 8,1% gelegen. Blicke man weiter zurück, seien Anleihen sogar noch stärker verbreitet gewesen - 1995 hätten diese 11,3% des Finanzvermögens österreichischer Haushalte ausgemacht. In den letzten zwei Quartalen sei jedoch bei den meisten Ländern eine Trendumkehr zu beobachten gewesen - der Anteil von Schuldverschreibungen am Finanzvermögen sei wieder etwas angestiegen.

In Wahrheit liege der Anteil von Anleihen am Finanzvermögen privater Haushalte jedoch über den zuvor erwähnten 3,0%. Dies sei auf die indirekt gehaltenen Anleihen über den Besitz von Fonds und über Versicherungsprodukte, die wiederum in Anleihen investiert seien, begründet. Der größte Posten des Finanzvermögens sei in den meisten EU-Ländern jedoch in Bargeld und Einlagen investiert. In Österreich würden diese 41% ausmachen. Die zuvor erwähnten Anteilsrechte und Anteile an Investmentfonds würden knapp dahinter folgen - im ersten Quartal 2023 hätten sie 37% ausgemacht. Versicherungs-, Alterssicherungs- und Standardgarantie-Systeme hätten knapp 17% gestellt.

Wie zuvor erwähnt, sei in den letzten Quartalen der Anteil von Anleihen am Finanzvermögen gestiegen. Dies sei vordergründlich auf den Zukauf neuer Anleihen zurückzuführen. Alleine im ersten Quartal 2023 hätten österreichische Haushalte Anleihen im Wert von EUR 2.463 Mio. gekauft, so viel wie noch nie zuvor (seit Beginn der Aufzeichnung im vierten Quartal 1999). Des Weiteren seien Termin- und Spareinlagen um EUR 4.609 Mio. aufgestockt worden. Hingegen seien täglich fällige Einlagen um EUR 7.209 Mio. abgebaut worden. Das Geld auf dem Girokonto sei hin zu zinsbringenden Anlagewerten wie Anleihen und Termineinlagen verschoben worden.

Aufgrund der vordefinierten Laufzeit und der vertraglich festgelegten Zahlung von Zinsen seien Anleihen und Bankeinlagen als Termin- und Spareinlagen gut vergleichbar. Im letzten Jahr seien die Renditen von Anleihen insbesondere auch im Vergleich zur Verzinsung von Bankeinlagen gestiegen. Mit Beginn der Finanzkrise seien die Renditen österreichischer Staatsanleihen unter die Verzinsung von Bankeinlagen mit vergleichbarer Laufzeit gefallen. Seit Anfang 2022 seien diese jedoch wieder darüber gestiegen, ein Zustand, der vor der Finanzkrise der Normalfall gewesen sei. (08.09.2023/alc/a/a)