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Anleihen bleiben die bevorzugte Anlageklasse


03.05.23 12:30
Swisscanto

Zürich (www.anleihencheck.de) - Ob mit dem Untergang der Silicon Valley Bank und der Übernahme der Credit Suisse durch UBS der Sturm im Finanzsystem aber tatsächlich bereits vorüber ist, wird sich erst noch zeigen müssen, so die Experten von Swisscanto.

An den konjunkturellen und geldpolitischen Herausforderungen habe sich aus Sicht der Experten seither nämlich nichts geändert, weshalb auch die Risiken für die Finanzstabilität erhöht bleiben würden. Der Hauptgrund dafür seien die markanten Zinserhöhungen der Notenbanken als Reaktion auf die höchsten Inflationsraten seit mehr als 40 Jahren. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die Leitzinsen erst dann wieder sinken würden, wenn es den Notenbanken gelungen sei, die Preisstabilität wiederherzustellen.

Gemäß den Prognosen der Experten werde der Zinserhöhungszyklus gegen Ende des 2. Quartals zwar in allen Ländern und Regionen abgeschlossen sein, und auch die Inflationsraten seien seit einigen Monaten klar rückläufig. Letzteres sei vor allem auf tiefere Energiepreise zurückzuführen. Die Kerninflation erweise sich jedoch als hartnäckig hoch, und auch die Gesamtinflation bleibe weit entfernt von den jeweiligen Zielen der Notenbanken.

Angesichts der ausgezeichneten Lage am Arbeitsmarkt könne dieser Umstand aber kaum überraschen, zumal auch Firmen immer noch Preiserhöhungen durchsetzen könnten. Gemäß den Prognosen der US-Notenbank FED und der Europäischen Zentralbank (EZB) werde das Inflationsziel von 2% erst 2025 wieder erreicht. Die beiden wichtigsten Notenbanken würden sich damit in guter Gesellschaft befinden. Gemäß Schätzung des Internationalen Währungsfonds würden über 90% der Notenbanken mit einem expliziten Inflationsziel sowohl 2023 als auch 2024 eine zu hohe Teuerung ausweisen. Die Arbeit der Notenbanken sei somit noch lange nicht getan.

Mit den eingangs erwähnten Maßnahmen habe das Schlimmste zwar abgewendet werden können. Unter der scheinbar ruhigen Oberfläche lodere die Glut der Stabilitätsrisiken indessen weiter. Insbesondere bei den kleineren und mittleren Banken in den USA würden die grundlegenden Probleme ungelöst bleiben. So habe sich der Abfluss von Kundeneinlagen fortgesetzt, weil die Banken nicht mit den stark gestiegenen Marktzinsen mithalten könnten, ohne ihre Zinsmargen zu opfern und Verluste in Kauf zu nehmen.

Ein anhaltender Abfluss zwinge Banken zum Verkauf von Wertpapieren zur Sicherstellung der Liquidität und führe tendenziell zu einer Einschränkung der Kreditvergabe. Mit einer Verschärfung der Kreditkonditionen der Banken werde der Effekt der restriktiven Geldpolitik noch verstärkt, was die Konjunktur zusätzlich belaste. So würden die Experten den Kreditkanal als eine der Hauptursachen für die von ihnen erwartete milde Rezession in den USA und in der Eurozone im 2. Halbjahr 2023 sehen.

Auf globaler Ebene würden die Experten in diesem Jahr und im nächsten Jahr unverändert mit einem Zuwachs von lediglich rund 2% rechnen. Vor allem in den Industrieländern würden die Wachstumskräfte nahezu vollständig zum Erliegen zu kommen drohen. Die hohe Inflation, die restriktive Geldpolitik und die Verknappung des Kreditangebots würden kräftige konjunkturelle Gegenwinde darstellen.

Gleichzeitig würden bisherige Wachstumstreiber wie die expansive Fiskalpolitik und die Aufholeffekte nach der Pandemie zunehmend wegfallen. Letzteres gelte insbesondere auch für China, wo die Experten die BIP-Prognose für 2023 aufgrund der Aufwärtsrevision für das 4. Quartal und der unerwartet hohen Wachstumsdynamik im 1. Quartal von 5,4% auf 6,1% angehoben hätten. Die Erholung nach dem abrupten Ende der Zero-Covid-Politik sei zwar schneller und kräftiger ausgefallen als die Experten erwartet hätten. Da sich am grundlegenden Bild nichts geändert habe, würden sie in den kommenden Quartalen nun aber mit einem tieferen Wachstum als bisher rechnen.

Die aktuelle Konjunkturlage erweise sich zwar in den meisten Ländern immer noch als bemerkenswert robust, und weder die Entwicklung am Aktienmarkt noch Frühindikatoren wie die viel beachteten Einkaufsmanagerindices würden auf eine unmittelbar bevorstehende Eintrübung hindeuten. Diesen positiven Signalen stünden jedoch einige blinkende Warnlichter gegenüber. Zu nennen seien unter anderem die flachen bis inversen Zinskurven, das tiefe Konsumentenvertrauen sowie die rückläufige Industrieproduktion. Der Leading Economic Index für die USA, der auf zehn verschiedenen Vorlaufindikatoren basiere und alle Rezessionen der letzten 50 Jahren korrekt antizipiert habe, befinde sich weiter im freien Fall und signalisiere damit ebenfalls einen bevorstehenden Konjunktureinbruch.

Die gegenwärtige Ruhe an den Finanzmärkten könnte sich aus Sicht der Experten deshalb als trügerisch erweisen, weshalb sie eine defensive Ausgestaltung der Anlagepolitik weiter für angemessen erachten würden. Anleihen würden die bevorzugte Anlageklasse bleiben, während die Experten gegenüber Aktien aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit von Rückschlägen weiter vorsichtig eingestellt seien.

Die Bankenturbulenzen seien an den globalen Finanzmärkten vorübergehend etwas in den Hintergrund getreten. Die konjunkturellen Indikatoren hätten sich zudem vielerorts besser entwickelt als erwartet. Mit der Stimmungsaufhellung sei im vergangenen Monat das Sicherheitsbedürfnis der Investoren gefallen, und die Aufwärtsbewegung der Anleihenpreise sei etwas gebremst worden. In den nächsten Monaten dürfte allerdings die restriktive Geldpolitik der Notenbanken Spuren beim Konsum- und Investitionsverhalten von Haushalten und Unternehmen hinterlassen, sodass Staatsanleihen wieder auf dem Kaufzettel der Investoren stehen würden.

In den USA würden die Experten mit einer weiter fallenden Kerninflation und einer schrumpfenden Wirtschaft im 2. Halbjahr rechnen, sodass das Kaufinteresse von US-Staatsanleihen wieder anziehen dürfte. In diesem Szenario würden sie eine Seitwärtsbewegung der 10-jährigen US-Treasury-Rendite auf einen Horizont von drei Monaten sehen. Mit dem Ende des Anhebungszyklus der US-Leitzinsen lasse auch der geldpolitische Gegenwind nach. Das dürfte zu einer Beruhigung der Anleihenmärkte beitragen. Die Schwankungsanfälligkeit der Renditen habe seit Mitte März bereits abgenommen, wie auch der Volatilitätsindex (Move) für US-Staatsanleihen verdeutliche. Die konjunkturellen Vorzeichen in den USA würden indes gegen den US-Dollar sprechen. Die Abwertung der US-Leitwährung dürfte sich deshalb fortsetzen.

Die Chancen für fallende Renditen und Kursgewinne seien in der Eurozone geringer. Die relative Stärke der Eurozonenkonjunktur im Vergleich zu den USA dürfte nach wie vor bestehen bleiben. Die zuletzt publizierten Konjunkturdaten würden noch ein ermunterndes Bild für die Eurozone zeichnen. Die Industrieproduktion habe im Februar stärker zugelegt als erwartet. Tiefere Energiepreise und abnehmende Lieferengpässe seien die Haupttreiber hinter dem soliden Zahlenkranz gewesen.

Die Stimmungsverbesserung in der Eurozone habe sich in den letzten Monaten auch in steigenden Umfragewerten bei den Einkaufsmanagerindices (PMI) im Dienstleistungssektor widerspiegelt. Das habe den Unternehmensanleihen Auftrieb verliehen, und die so genannten Spreads zu den Staatsanleihen hätten sich im vergangenen Monat eingeengt. Ein weiteres Rückgangspotenzial würden die Experten allerdings nicht sehen. Die Kehrseite der Medaille sei die nur sehr langsam fortschreitende Disinflation im Dienstleistungssektor. Das Wachstum der Konsumentenpreise dürfte dort noch über einige Zeit erhöht bleiben, womit die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen weiter anhebe. Bei einer restriktiveren Geldpolitik bestehe für den Euro Aufwertungspotenzial. (03.05.2023/alc/a/a)